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BGH-Urteil: Vermieter haben kein anlassloses Besichtigungsrecht

BGH, Urteil vom 04.06.2014 – VIII ZR 289/13

Das Wichtigste in Kürze

  • Kein periodisches Besichtigungsrecht: Vermieter dürfen nicht alle 1-2 Jahre ohne besonderen Grund die Wohnung kontrollieren
  • Hausrecht schützt Mieter: Das Hausrecht des Mieters ist verfassungsrechtlich geschützt (Art. 13 GG)
  • Konkrete Gründe erforderlich: Besichtigungen sind nur bei sachlichen Gründen (z.B. Bewirtschaftung) zulässig
  • Unwirksame Vertragsklauseln: Mietvertragsklauseln, die anlasslose Besichtigungen erlauben, sind unwirksam

Der Fall: Eskalation bei unberechtigter Besichtigung

Sachverhalt

Ein Vermieter wollte 2012 zunächst nur die Rauchmelder kontrollieren, versuchte dann aber, das gesamte Haus zu besichtigen. Als der Mieter dies verweigerte und die Vermieterin aufforderte zu gehen, blieb diese in der Diele. Daraufhin trug der Mieter die Vermieterin körperlich aus dem Haus. Die Vermieterin kündigte daraufhin fristlos.

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Mieters:

  1. Die fristlose Kündigung war unwirksam
  2. Die Vermieterin hatte durch ihr Verhalten das Hausrecht verletzt
  3. Der Mieter handelte im Rahmen seines Notwehrrechts

Rechtliche Grundlagen: Wann ist eine Besichtigung erlaubt?

Verfassungsrechtlicher Schutz der Wohnung

Die Wohnung steht unter dem besonderen Schutz von Art. 13 Abs. 1 GG. Mieter haben das Recht, in ihren Räumen „in Ruhe gelassen zu werden“. Während der Mietzeit hat der Mieter das alleinige und uneingeschränkte Nutzungsrecht.

Vertragliche Duldungspflicht nur bei sachlichen Gründen

Eine Besichtigung ist nur zulässig bei:

  • Konkreten sachlichen Gründen
  • Ordnungsgemäßer Bewirtschaftung des Objekts
  • Vorheriger angemessener Ankündigung

Unwirksame Vertragsklauseln

Mietvertragsklauseln, die dem Vermieter ein anlassloses periodisches Besichtigungsrecht
einräumen, sind nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie den Mieter unangemessen
benachteiligen

Praktische Auswirkungen für Vermieter

Was Vermieter beachten müssen:

  • Keine routinemäßigen Kontrollen alle 1-2 Jahre
  • Konkreten Anlass für Besichtigung nachweisen
  • Hausrecht des Mieters respektieren
  • Angemessene Vorankündigung einhalten

Berechtigte Besichtigungsanlässe:

  • Verkauf der Immobilie
  • Vermietung nach Kündigung
  • Notwendige Reparaturen
  • Energetische Sanierungsmaßnahmen
  • Begründeter Verdacht auf Vertragsverletzungen

Konsequenzen bei unrechtmäßiger Kündigung

Schadensersatzanspruch des Mieters

Der BGH stellte klar: Vermieter, die schuldhaft eine unbegründete Kündigung aussprechen, verletzen vertragliche Nebenpflichten. Dies kann zu Schadensersatzansprüchen führen, insbesondere für:

  • Rechtsanwaltskosten
  • Umzugskosten
  • Weitere Schäden durch die unberechtigte Kündigung

Praxistipp: Richtig handeln bei Besichtigungswunsch

Für Mieter

  • Sachlichen Grund erfragen
  • Bei fehlendem Grund: Besichtigung höflich ablehnen
  • Hausrecht wahrnehmen, aber deeskalierend handeln
  • Bei Problemen: Rechtliche Beratung suchen

Für Vermieter

  • Konkreten Anlass dokumentieren
  • Schriftliche Terminvereinbarung mit Begründung
  • Respektvoller Umgang mit Mietern
  • Bei Verweigerung: Rechtliche Prüfung vor weiteren Schritten

Fazit: Klare Grenzen für das Besichtigungsrecht

Das BGH-Urteil stärkt die Rechte von Mietern erheblich und setzt dem Besichtigungsrecht von Vermietern klare Grenzen. Routinekontrollen ohne konkreten Anlass sind unzulässig und können zu rechtlichen Konsequenzen für Vermieter führen.

Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten ihre Rechte und Pflichten kennen, um Konflikte zu vermeiden. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Mietrecht.


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Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Rechtsfragen wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt.

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