BGH-Urteil: Verjährung von Schadensersatzansprüchen beginnt mit Schlüsseleinwurf in Briefkasten
BGH–Urteil vom 29. Januar 2025 (Az. XII ZR 96/23)
Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine bedeutsame Entscheidung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Gewerbemietverhältnissen getroffen. Das Urteil klärt wichtige Fragen zum Beginn der sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 548 BGB.
Der Sachverhalt: Streit um Instandsetzungskosten nach Schlüsselrückgabe
Ein Vermieter vermietete einer Beklagten gewerbliche Räumlichkeiten. Nach ordentlicher Kündigung warf die Mieterin am 31. Dezember 2020 die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters. Dieser widersprach der Rückgabe ausdrücklich mit Schreiben vom 7. Januar 2021 und erklärte, nicht empfangsbereit zu sein. Erst im Juni 2021 forderte der Vermieter die Beseitigung von Mängeln und machte später Schadensersatzansprüche in Höhe von über 32.000 Euro geltend. Die Mieterin wandte erfolgreich die Verjährung ein.
Die Rechtsprechung des BGH: Drei zentrale Leitsätze
1. Voraussetzungen für den „Rückerhalt“ der Mietsache
Der BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung: Der Rückerhalt der Mietsache im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus. Nur durch die unmittelbare Sachherrschaft kann sich der Vermieter ungestört ein Bild von etwaigen Schäden machen.
2. Verjährungsbeginn auch vor Mietvertragsende möglich
Entscheidend ist die Klarstellung, dass der Rückerhalt für den Verjährungsbeginn auch dann maßgeblich ist, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist. Dies bedeutet: Schadensersatzansprüche können bereits vor Ende der Mietzeit verjähren.
3. Schlüsseleinwurf in Vermieter-Briefkasten genügt
Der BGH präzisiert die Rechtslage beim Schlüsseleinwurf: Wirft der Mieter die Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters (nicht des Mietobjekts), führt dies zum Rückerhalt der Mietsache – auch gegen den erklärten Willen des Vermieters.
Praktische Konsequenzen für Vermieter
Sofortige Reaktion erforderlich
Vermieter müssen nach einem Schlüsseleinwurf unverzüglich handeln. Die sechsmonatige Verjährungsfrist beginnt mit der Kenntniserlangung vom Schlüsseleinwurf zu laufen. Warten bis zur offiziellen Mietvertragsbeendigung kann fatal sein.
Verjährungshemmende Maßnahmen einleiten
Um Schadensersatzansprüche zu sichern, sollten Vermieter bei Schlüsselrückgabe sofort:
- die Mieträume besichtigen und dokumentieren
- Schäden protokollieren
- Verjährungshemmende Maßnahmen (Mahnbescheid, Klage) einleiten
- nicht abwarten, sondern zeitnah reagieren
Besonderheiten bei der Besitzerlangung
Besitzwille trotz Protest
Bemerkenswert ist die BGH-Argumentation zum Besitzwillen: Auch wenn der Vermieter die Schlüsselrückgabe ablehnt, kann er dennoch den Besitz erlangen, wenn er die Schlüssel behält und nicht an den Mieter zurückgibt. Der fehlende Rücknahmewille ist nicht automatisch fehlender Besitzwille.
Unterscheidung: Briefkasten des Vermieters vs. Mietobjekt
Wichtig ist die Unterscheidung:
- Schlüsseleinwurf in Vermieter-Briefkasten: Führt zum Rückerhalt
- Schlüsseleinwurf in Briefkasten des Mietobjekts: Führt nicht automatisch zum Rückerhalt
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Für Vermieter
- Sofortige Objektbesichtigung nach Schlüsselerhalt
- Umgehende Schadensdokumentation
- Fristenberechnung ab Kenntniserlangung, nicht ab Mietende
- Zeitnahe rechtliche Schritte zur Verjährungshemmung
Für Mieter
- Ordnungsgemäße Übergabe vereinbaren
- Schlüsselrückgabe dokumentieren
- Bei vorzeitiger Rückgabe Verjährungsfristen beachten
Fazit: Eilbedürftigkeit bei Gewerbemieten
Das BGH-Urteil unterstreicht die Eilbedürftigkeit bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Mietverhältnissen. Die kurze sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 BGB soll eine rasche Klärung zwischen den Vertragsparteien bewirken.
Vermieter dürfen sich nicht darauf verlassen, dass sie bis zum formellen Mietende Zeit haben. Der Schlüsseleinwurf in den Briefkasten des Vermieters kann bereits den Startschuss für die Verjährung bedeuten – unabhängig vom erklärten Widerspruch gegen die Rückgabe.
Bei Fragen zu Mietrecht und Verjährungsfristen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie unsere Fachanwälte für Mietrecht für eine individuelle Beratung.