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BGH-Urteil: Schonfristzahlung heilt nur fristlose, nicht ordentliche Kündigung

BGH-Urteil vom 23.10.2024-VIII ZR 106/23

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2024 (Az. VIII ZR 106/23) eine wichtige Entscheidung zum Mietrecht getroffen: Eine Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB macht nur die fristlose Kündigung unwirksam, nicht jedoch eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen desselben Mietrückstands.

Sachverhalt: Mieter zahlen nach Kündigung

Die Beklagten waren seit November 1994 Mieter einer Berliner Wohnung und zahlten die Miete für Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 nicht. Nach mehrfachen Mahnungen kündigte die Vermieterin am 8. Juni 2021 sowohl fristlos als auch hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzugs. Die Mieter glichen die Rückstände am 30. Juni 2021 vollständig aus – also innerhalb der gesetzlichen Schonfrist.

Die Entscheidung des BGH

Kernaussage des Urteils

Der BGH bestätigte seine bereits in früheren Urteilen (VIII ZR 91/20 und VIII ZR 307/21) vertretene Rechtsprechung:

Die Schonfristzahlung wirkt nur bei der fristlosen Kündigung nach § 543 BGB, nicht jedoch bei der ordentlichen Kündigung nach § 573 BGB.

Rechtliche Begründung

  1. Gesetzliche Regelung ist eindeutig: § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bezieht sich ausdrücklich nur auf die außerordentliche (fristlose) Kündigung nach § 543 BGB.
  2. Keine analoge Anwendung: Eine entsprechende Anwendung auf ordentliche Kündigungen ist weder unmittelbar noch analog möglich.
  3. Gesetzgeberischer Wille: Der Gesetzgeber hat bewusst die Wirkung der Schonfristzahlung auf fristlose Kündigungen beschränkt.

Praktische Konsequenzen für Vermieter

Kündigungsstrategie überdenken

Vermieter sollten bei Mietrückständen grundsätzlich beide Kündigungsarten aussprechen:

  • Fristlose Kündigung nach § 543 BGB (sofortige Wirkung)
  • Hilfsweise ordentliche Kündigung nach § 573 BGB (mit Kündigungsfrist)

Vorteile der Doppelkündigung

Durch diese Strategie bleiben Vermieter auch dann handlungsfähig, wenn Mieter die Schonfrist nutzen und nachzahlen. Die ordentliche Kündigung bleibt wirksam und kann durchgesetzt werden.

Was bedeutet das für Mieter?

Schonfristzahlung bietet nur begrenzten Schutz

Mieter, die ihre Rückstände innerhalb der Schonfrist (zwei Monate nach Räumungsklage) ausgleichen, verhindern damit nur die fristlose Kündigung. Eine bereits ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt bestehen

Ausnahme: Treuwidrigkeit prüfen

In Einzelfällen kann die Durchsetzung der ordentlichen Kündigung nach vollständigem Ausgleich der Rückstände treuwidrig sein (§ 242 BGB). Dies muss jedoch im Einzelfall geprüft werden.

Abweichende Meinung des LG Berlin

Das Landgericht Berlin hatte eine andere Auffassung vertreten und argumentiert, dass:

  • Keine bindende Gesetzgebung zur Frage der Schonfristwirkung existiere
  • Die BGH-Rechtsprechung auf unzureichender Gesetzesauslegung beruhe

Der BGH wies diese Kritik zurück und verwies auf seine etablierte Rechtsprechung sowie den eindeutigen Gesetzgeberwillen.

Auswirkungen auf die Rechtspraxis

Für Rechtsanwälte

  • Vermietungsrecht: Mandanten über Vorteile der Doppelkündigung aufklären
  • Mieterberatung: Realistische Einschätzung der Rechtslage bei Schonfristzahlung
  • Prozessführung: BGH-Rechtsprechung ist gefestigt und sollte entsprechend berücksichtigt werden

Für Immobilienverwalter

  • Kündigungsschreiben standardmäßig mit beiden Kündigungsarten formulieren
  • Mandanten über begrenzte Wirkung der Schonfristzahlung informieren

Fazit und Ausblick

Das BGH-Urteil vom 23.10.2024 bestätigt die gefestigte Rechtsprechung zur begrenzten Wirkung der Schonfristzahlung. Vermieter erhalten dadurch mehr Rechtssicherheit bei der Durchsetzung von Räumungsansprüchen, während Mieter weniger Schutz durch nachträgliche Zahlung genießen.

Empfehlung: Vermieter sollten konsequent beide Kündigungsarten aussprechen, um ihre Rechtsposition zu stärken. Mieter sollten Zahlungsprobleme frühzeitig angehen und sich nicht allein auf die Schonfristzahlung verlassen.


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Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Die Darstellung erfolgt nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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