Gekoppelte Verträge beim betreuten Wohnen sind unwirksam
Die Kopplung von Miet- und Serviceverträgen beim Betreuten Wohnen ist rechtens
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 23.02.2006 (Az. III ZR 167/05) eine wichtige Entscheidung für den Bereich des Betreuten Wohnens getroffen: Die Kopplung von Miet- und Serviceverträgen ist grundsätzlich rechtmäßig und verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)
Zum Sachverhalt: Verbundene Verträge beim Service-Wohnen
Im vorliegenden Fall hatte die beklagte Mieterin eine Wohnung zum „Betreuten Wohnen“ (auch „Service-Wohnen“ genannt) angemietet. Wie üblich bei dieser Wohnform bestand das Vertragskonstrukt aus zwei Teilen:
- Einem Mietvertrag über die Wohnung (mit der G. Gesellschaft mbH als Vermieterin)
- Einem Servicevertrag über Betreuungsleistungen (mit einem externen Dienstleister als Servicegeber)
Beide Verträge waren dabei aneinander gekoppelt: Der Servicevertrag sollte „für die Dauer des Mietvertrages gültig“ sein und der Mietvertrag stand unter der „auflösenden Bedingung“, dass der Servicevertrag abgeschlossen und aufrechterhalten wird.
Der Streitfall: Kündigung des Servicevertrags bei fortbestehendem Mietverhältnis
Die Beklagte war mit den Leistungen des Servicegebers unzufrieden und hielt die monatliche Pauschale von umgerechnet 102,26 Euro für überhöht. Sie kündigte daher den Servicevertrag, woraufhin die Vermieterin den Mietvertrag kündigte – vertragsgemäß, da dieser an den Fortbestand des Servicevertrages gebunden war. Die Beklagte „nahm“ daraufhin ihre Kündigung „zurück“, und beide Verträge wurden fortgeführt. Allerdings zahlte die Beklagte statt der vereinbarten Servicepauschale nur noch einen reduzierten Betrag von 45 Euro monatlich. Der Servicegeber klagte auf Zahlung der Differenz. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht gaben der Klage statt.
Die rechtliche Bewertung des BGH
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision der Beklagten zurück. Die wesentlichen Gründe:
Keine Sittenwidrigkeit der Vertragskopplung
Die Koppelung der Verträge sei nicht sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB, da sie:
- Dem gemeinsamen Interesse an einer verlässlichen Kalkulation des angebotenen Betreuten Wohnens diene
- Im Interesse der betagten Mieter an einer zuverlässigen Versorgung liege
- Dem Konzept des Betreuten Wohnens entspreche, das gerade auf dem Angebot von Miete UND (Grund-)Betreuung beruhe
Rechtsschutz der Mieter bleibt gewahrt
Der BGH stellte klar, dass die Mieter trotz der Vertragskopplung nicht rechtlos gestellt werden:
- Eine außerordentliche Kündigung des Servicevertrages bleibt möglich, wenn dessen Fortsetzung für die Mieter untragbar wird (§ 626 BGB)
- Bei Schlechtleistung des Serviceanbieters stehen den Mietern die üblichen dienstvertraglichen Rechte zu (Verweigerung der Vergütung, Schadensersatz)
Vertragliche Einigung über Fortsetzung
Der BGH bestätigte die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Parteien sich (zumindest stillschweigend) auf die unterbrechungslose Fortsetzung der Verträge verständigt hatten:
- Die Beklagte hatte ihre Kündigung „zurückgenommen“
- Sie hatte den Servicevertrag mit einem anderen Anbieter beendet
- Sie hatte die (wenn auch reduzierte) Betreuung durch den Kläger weiter in Anspruch genommen
- Die Mieterin war in der Wohnung geblieben und hatte weiter Miete gezahlt
Bedeutung für die Praxis des betreuten Wohnens
Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung für den wachsenden Markt des betreuten Wohnens:
- Vertragsgestaltung: Vermieter und Serviceanbieter können ihre Verträge rechtssicher koppeln, um die Kontinuität des Betreuungskonzepts zu sichern.
- Mieterrechte: Trotz der Kopplung bleiben die Rechte der Mieter bei Schlechtleistung gewahrt.
- Planungssicherheit: Das Urteil schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten und unterstützt damit das Konzept des Betreuten Wohnens als wichtige Wohnform für ältere Menschen.
Fazit für Anbieter und Nutzer von Betreutem Wohnen
Die Verknüpfung von Miet- und Serviceverträgen beim Betreuten Wohnen dient der Sicherung des Gesamtkonzepts und ist rechtlich zulässig. Dies gibt Anbietern Planungssicherheit und gewährleistet Mietern eine kontinuierliche Betreuung – bei gleichzeitigem Erhalt ihrer Rechte bei mangelhaften Leistungen. Wichtig für die Praxis: Die Vertragsgestaltung sollte transparent sein und die gegenseitigen Abhängigkeiten der Verträge klar darstellen. Zudem müssen Serviceanbieter ihre vertraglich zugesicherten Leistungen in angemessener Qualität erbringen, um außerordentlichen Kündigungen vorzubeugen.
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Schlagworte: Betreutes Wohnen, BGH-Urteil, Service-Wohnen, Mietrecht, Servicevertrag, Vertragskopplung, Seniorenrecht, Wohnrecht