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AG Karlsruhe: Verteidiger-Beauftragung beweist nicht automatisch Bußgeldbescheid-Zustellung

AG Karlsruhe – Urteil vom 25.08.2024 (Az. 6 OWi 260 Js 8092/23)

Das Wichtigste in Kürze

Das Amtsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Beauftragung eines Verteidigers nicht automatisch beweist, dass ein Bußgeldbescheid ordnungsgemäß zugestellt wurde. Das Verfahren wurde wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

Der Fall: Rotlichtverstoß mit Zustellungsproblemen

Die Betroffene beging am 11.09.2022 einen Rotlichtverstoß in Karlsruhe. Die Bußgeldbehörde sandte sowohl das Informationsschreiben als auch den späteren Bußgeldbescheid an eine falsche Adresse (Hausnummer 28 statt 26) in Frankreich. Während das Informationsschreiben über eine Nachbarin die Betroffene erreichte, blieb unklar, ob auch der Bußgeldbescheid zugestellt wurde.

Kernproblem: Zustellungsfiktion bei Verteidigerbestellung

Die Bußgeldbehörde nahm an, dass der Bußgeldbescheid spätestens am 27.10.2022 zugestellt worden sei, da sich an diesem Tag ein Verteidiger für die Betroffene bestellte. Diese Zustellungsfiktion wurde vom Amtsgericht Karlsruhe jedoch zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Warum die Zustellungsfiktion nicht griff

Das Gericht betonte mehrere entscheidende Punkte:

  1. Vorsichtige Formulierung des Verteidigers: Im Verteidigerschreiben wurde ausdrücklich nur gegen einen „möglicherweise bereits ergangenen“ Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt.
  2. Alternative Erklärung möglich: Die Betroffene könnte den Verteidiger bereits aufgrund des erhaltenen Informationsschreibens beauftragt haben, ohne Kenntnis vom Bußgeldbescheid zu haben.
  3. Fehlende Vollmacht: Eine Verteidigervollmacht war weder beigefügt noch jemals zur Akte gelangt.

Keine Heilung durch Akteneinsicht

Auch die Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger konnte die fehlende Zustellung nicht heilen, da:

  • Keine Zustellungsvollmacht vorlag
  • Die Bußgeldbehörde an die Betroffene selbst, nicht an den Verteidiger zustellen wollte
  • Nach überwiegender Rechtsprechung eine Heilung ohne Bevollmächtigung nicht möglich ist

Folgen: Verfolgungsverjährung eingetreten

Da nur das Informationsschreiben vom 04.10.2022 die Verjährung unterbrach, trat am 04.01.2023 Verfolgungsverjährung ein. Das Verfahren wurde gemäß § 206a StPO eingestellt.

Praktische Bedeutung für Betroffene

Für Verkehrsteilnehmer

  • Sorgfältige Dokumentation: Halten Sie fest, welche Post Sie wann erhalten haben
  • Meldeadresse aktuell halten: Falsche Adressen können zu Zustellungsproblemen führen
  • Frühzeitige Rechtsberatung: Bei Unsicherheiten sollten Sie zeitnah einen Anwalt konsultieren

Für Rechtsanwälte

  • Präzise Formulierungen: Vermeiden Sie unklare Aussagen zur Kenntnis von Bußgeldbescheiden
  • Vollmachten beifügen: Immer entsprechende Vollmachten zur Akte reichen
  • Zustellungsproblematik prüfen: Systematische Überprüfung der Zustellungssituation

Fazit: Wichtiges Signal für die Rechtspraxis

Das Urteil des AG Karlsruhe stärkt die Rechte von Bußgeldbetroffenen und macht deutlich, dass Behörden die Zustellungsvorschriften sorgfältig beachten müssen. Eine automatische Zustellungsvermutung allein aufgrund der Verteidigerbestellung ist rechtlich nicht haltbar.

Sie haben Fragen zu einem Bußgeldbescheid oder Problemen bei der Zustellung? Unsere erfahrenen Verkehrsrechtsanwälte beraten Sie gerne und prüfen Ihren Fall auf mögliche Verfahrensfehler.


Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Rechtsfragen wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht.

Schlagwörter: Bußgeldbescheid, Zustellung, Verkehrsrecht, Verfolgungsverjährung, Verteidiger, AG Karlsruhe, Ordnungswidrigkeit

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