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Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitung: Wann Ausnahmen möglich sind und wann nicht

KG Berlin – Beschluss (3 ORbs 165/24)

Rechtsprechung des KG Berlin zeigt Grenzen richterlichen Ermessens auf

Das Wichtigste in Kürze

Das Kammergericht Berlin hat in einem aktuellen Beschluss (3 ORbs 165/24) wichtige Grundsätze zum Fahrverbot bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen konkretisiert. Der Fall zeigt exemplarisch, welche Argumente bei der Vermeidung eines Fahrverbots nicht ausreichen und welche strengen Anforderungen an Ausnahmeentscheidungen gestellt werden.

Der Fall: 42 km/h zu schnell im Tunnel

Ein Rechtsanwalt war innerorts mit 92 km/h bei erlaubten 50 km/h geblitzt worden – eine Überschreitung um 42 km/h. Nach dem Bußgeldkatalog zieht dies regelMäßig ein einmonatiges Fahrverbot nach sich. Das Amtsgericht Tiergarten sah jedoch von einem Fahrverbot ab und verhängte lediglich eine Geldbuße von 55 Euro.

Die Begründung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht führte verschiedene Argumente für das Absehen vom Fahrverbot an:

  • Technischer Defekt als Ursache: Der Betroffene habe beschleunigen müssen, um ein Liegenbleiben im Tunnel zu verhindern
  • Oldtimer-Spezifikum: Bei Fahrzeugen von 1965 sei dieses Vorgehen „üblich“
  • Berufliche Angewiesenheit: Der Rechtsanwalt sei auf seinen Führerschein angewiesen
  • Keine Vorstrafen: Sauberes Fahreignungsregister seit 1998
  • Geringe Verkehrsdichte: Keine konkrete Gefährdung anderer

Klare Absage des Kammergerichts

Das Kammergericht hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Die Begründung macht
deutlich, welche Fehler das Amtsgericht gemacht hatte:

1. Unlogische Sachverhaltsdarstellung

Die Behauptung, beschleunigen zu müssen um ein „Ausschalten des Motors“ zu verhindern, sei
bereits unverständlich. Zudem dürfe mit einem defekten Fahrzeug, das zu
Geschwindigkeitsüberschreitungen zwingt, gar nicht am Verkehr teilgenommen werden.

2. Regelrechtsfolgen verkannt

Mehrere Argumente des Amtsgerichts gingen ins Leere:

  • Keine Vorstrafen: Dieser Umstand ist bereits in den Regelrechtsfolgen berücksichtigt
  • Lange Fahrpraxis: Kein außergewöhnlicher Umstand
  • Keine konkrete Gefährdung: Der Bußgeldkatalog geht nicht von konkreter Gefährdung aus

3. Unzureichende Prüfung der beruflichen Angewiesenheit

Die bloße Behauptung beruflicher Angewiesenheit reicht nicht aus. Das Gericht muss konkret
prüfen und feststellen:

  • Droht der Verlust des Arbeitsplatzes?
  • Ist die wirtschaftliche Existenz bedroht?
  • Können zumutbare Vorkehrungen getroffen werden?

Wann sind Ausnahmen vom Fahrverbot möglich?

Grundsätzliche Regel

Berufliche Angewiesenheit allein rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot. Dies ist ständige Rechtsprechung.

Seltene Ausnahmen

Nur wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  • Existenzbedrohung: Verlust des Arbeitsplatzes oder der wirtschaftlichen Existenz droht konkret
  • Keine Alternativen: Zumutbare Vorkehrungen sind nicht möglich
  • Einzelfallprüfung: Umfassende tatsächliche Feststellungen durch das Gericht
  • Kritische Würdigung: Entlastende Angaben des Betroffenen dürfen nicht unkritisch übernommen werden

Verschärfung durch § 25 Abs. 2a StVG

Seit Einführung der Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten selbst zu bestimmen, ist ein noch strengerer Maßstab anzulegen.

Praktische Tipps für Betroffene

Was Sie nicht erwarten sollten

  • Absehen vom Fahrverbot nur wegen beruflicher Angewiesenheit
  • Milde wegen technischer Probleme des Fahrzeugs
  • Berücksichtigung einer „sauberen Weste“

Was erfolgversprechender sein kann

  • Konkrete Existenzbedrohung durch Arbeitsplatzverlust
  • Nachweis, dass keine zumutbaren Alternativen bestehen
  • Detaillierte Darlegung der wirtschaftlichen Folgen
  • Belege für alle Behauptungen

Fazit: Fahrverbote sind die Regel, nicht die Ausnahme

Das Urteil des Kammergerichts macht deutlich: Bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen ist das Fahrverbot der Regelfall. Ausnahmen sind selten und nur bei konkreter Existenzbedrohung möglich. Gerichte müssen diese Ausnahmen streng prüfen und können sich nicht auf allgemeine Behauptungen der Betroffenen stützen.

Unser Tipp: Lassen Sie sich bei drohenden Fahrverboten rechtzeitig beraten. Nur mit einer fundierten rechtlichen Strategie und konkreten Nachweisen haben Ausnahmeargumente Aussicht auf Erfolg.


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Schlagwörter: Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Bußgeldkatalog, berufliche Angewiesenheit, Kammergericht Berlin, Verkehrsrecht, Rechtsanwalt

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