Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall: Wichtiges Urteil zur „Fracke-Methode“ und Nutzungsausfall
AG Wernigerode – Urteil vom 10.09.2024 (Az. 10 C 92/24)
Das Wichtigste in Kürze
Nach einem Verkehrsunfall stellt sich für Geschädigte oft die Frage: Welche Mietwagenkosten kann ich von der gegnerischen Versicherung ersetzt verlangen? Das Amtsgericht Wernigerode hat in seinem Urteil vom 10.09.2024 (Az. 10 C 92/24) wichtige Grundsätze zur Berechnung von Mietwagenkosten und zur Nutzungsausfallentschädigung aufgestellt.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick
1. Fracke-Methode bei der Mietwagenkosten-Berechnung
Das Gericht wendete die sogenannte „Fracke-Methode“ zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten an. Diese Methode berücksichtigt sowohl die Schwacke-Liste als auch den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts, da keines der beiden Systeme allein den regional üblichen Mietwagenpreis zuverlässig widerspiegelt.
Kritikpunkte an den einzelnen Bewertungssystemen:
- Schwacke-Liste: Erhebung erfolgt nicht verdeckt, Mietwagenunternehmen können die Preisgestaltung beeinflussen.
- Fraunhofer-Studie: Fasst den regionalen Markt zu weit, besonders problematisch im ländlichen Raum.
2. Konkrete Berechnung im Einzelfall
Das Gericht ermittelte folgende Werte für acht Tage Mietwagennutzung:
- Schwacke-Liste: 630,87 Euro brutto
- Fraunhofer Institut: 258,70 Euro brutto
- Fracke-Methode (Durchschnitt): 444,78 Euro brutto
- Abzug Eigenersparnis (5%): 22,24 Euro
- Erstattungsfähige Kosten: 422,54 Euro
Nutzungsausfallentschädigung: Strenge Anforderungen
Voraussetzungen für Nutzungsausfall
- Es reicht nicht aus, dass zum Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug vorhanden war.
- Die Entbehrung muss sich als „fühlbarer“ wirtschaftlicher Nachteil ausgewirkt haben.
- Der Geschädigte muss zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen sein.
Warum wurde der Nutzungsausfall abgelehnt?
Im konkreten Fall lehnte das Gericht die Nutzungsausfallentschädigung für den Begutachtungstag ab, weil:
- Die Klägerin keinen konkreten Nutzungswillen dargelegt hatte
- Während der 8-tägigen Mietwagennutzung nur 287 km gefahren wurden
- Für die Begutachtung kein Ersatzwagen genommen wurde
Sachverständigenkosten: Abrechnung nach Schadenshöhe rechtmäßig
Das Gericht bestätigte auch die Abrechnung von Sachverständigenkosten nach der Schadenshöhe statt nach Zeitaufwand:
Warum ist die Abrechnung nach Schadenshöhe ortsüblich?
- Praktikabilität: Zeiterfassung wäre für Gutachter schwer belegbar
- Vergleichbare Berufe: Anwälte, Steuerberater und Architekten rechnen ebenfalls nach Gegenstandswert ab
- Regionale Üblichkeit: Im Gerichtsbezirk dominiert diese Abrechnungsmethode
Die Kosten von 721,28 Euro netto lagen im angemessenen Korridor der B.-Tabelle (678-753 Euro).
Praktische Tipps für Unfallgeschädigte
Bei Mietwagenkosten beachten
- ✅ Wirtschaftlichkeitsgebot: Erkundigen Sie sich nach günstigeren Tarifen
- ✅ Dokumentation: Belegen Sie die tatsächliche Nutzung des Mietwagens
- ✅ Regionale Besonderheiten: Auf dem Land sind öffentliche Verkehrsmittel oft keine Alternative
Bei Nutzungsausfall denken Sie an:
- ✅ Konkrete Pläne: Dokumentieren Sie geplante Fahrten
- ✅ Ersatzlösungen: Begründen Sie, warum kein Mietwagen genommen wurde
- ✅ Regelmäßige Nutzung: Belegen Sie Ihre übliche Fahrzeugnutzung
Fazit: Rechtssicherheit durch klare Grundsätze
Das Urteil des AG Wernigerode schafft wichtige Rechtssicherheit bei Verkehrsunfällen:
- Die Fracke-Methode bietet einen ausgewogenen Ansatz zur Mietwagenkosten-Berechnung
- Bei Nutzungsausfall sind konkrete Darlegungen des Schadens erforderlich
- Sachverständigenkosten nach Schadenshöhe bleiben weiterhin ortsüblich
Sie hatten einen Verkehrsunfall?
Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten rechtlichen Fragen wenden Sie sich bitte an einen spezialisierten Rechtsanwalt.
Stichworte: Verkehrsunfall, Mietwagenkosten, Fracke-Methode, Nutzungsausfall, Schadensersatz, Sachverständigenkosten, AG Wernigerode, Verkehrsrecht