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BGH-Urteil: Werkstattrisiko bei abgetretenen Forderungen Was Geschädigte und Werkstätten wissen müssen

BGH – Urteil vom 16. Januar 2024 (Az. VI ZR 38/22)

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil wichtige Grundsätze zum sogenannten Werkstattrisiko bei abgetretenen Schadensersatzforderungen nach Verkehrsunfällen klargestellt. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Geschädigte, Werkstätten und Haftpflichtversicherer.

Was ist das Werkstattrisiko?

Das Werkstattrisiko besagt, dass ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich die vollständigen Reparaturkosten vom Schädiger erstattet verlangen kann – auch wenn die Werkstatt überhöhte Preise berechnet oder unwirtschaftlich arbeitet. Der Schädiger trägt das Risiko für Mehrkosten, die außerhalb der Kontrolle des Geschädigten entstehen.

Die Entscheidung des BGH: Kernaussagen

1. Werkstattrisiko bei unbezahlter Rechnung

Wichtige Neuerung: Bei unbezahlter Werkstattrechnung kann der Geschädigte nur dann das Werkstattrisiko geltend machen, wenn er die Zahlung an die Werkstatt verlangt – nicht an sich selbst. Gleichzeitig muss er seine Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger abtreten.

2. Abtretung von Schadensersatzforderungen

Der BGH stellte klar, dass die Abtretung einer Schadensersatzforderung gegen den Haftpflichtversicherer auch dann wirksam ist, wenn nur diese eine Forderung (und nicht die gegen den Unfallverursacher) übertragen wird.

3. Werkstattrisiko bei Abtretung

Entscheidender Punkt: Tritt ein Geschädigter seine Schadensersatzforderung an die Werkstatt ab, kann sich die Werkstatt nicht auf das Werkstattrisiko berufen. Das Werkstattrisiko ist nach § 399 Alt. 1 BGB nicht übertragbar.

Praktische Auswirkungen

Für Geschädigte

  • Bei unbezahlter Werkstattrechnung sollten Sie die Zahlung direkt an die Werkstatt verlangen.
  • Eine Abtretung an die Werkstatt bedeutet, dass diese das Werkstattrisiko trägt.
  • Die Beweislast für angemessene Reparaturkosten liegt dann bei der Werkstatt.

Für Werkstätten

  • Bei abgetretenen Forderungen müssen Sie beweisen, dass die Reparaturarbeiten tatsächlich durchgeführt wurden.
  • Sie müssen nachweisen, dass die Kosten angemessen und erforderlich waren.
  • Das Werkstattrisiko liegt vollständig bei Ihnen.

Für Haftpflichtversicherer

  • Sie können bei abgetretenen Forderungen die Angemessenheit der Reparaturkosten prüfen.
  • Das Werkstattrisiko trägt in diesen Fällen die Werkstatt, nicht der Versicherer.

Rechtliche Einordnung

Das Urteil basiert auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (Schadensersatz) und § 399 Alt. 1 BGB (Abtretungsverbot). Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass:

  1. Das Werkstattrisiko eng mit der Person des Geschädigten verknüpft ist
  2. Eine Übertragung würde den Schädiger schlechter stellen
  3. Der Vorteilsausgleich nur zwischen Geschädigtem und Schädiger funktioniert

Was bedeutet das für die Praxis?

Strategische Überlegungen

  • Geschädigte sollten bei unbezahlter Rechnung vorsichtig mit Abtretungen umgehen.
  • Werkstätten müssen ihre Dokumentation und Preisgestaltung überprüfen.
  • Haftpflichtversicherer können bei abgetretenen Forderungen kritischer prüfen.

Beweislast

Bei abgetretenen Forderungen muss die Werkstatt beweisen:

  • Tatsächliche Durchführung der Reparaturarbeiten
  • Angemessenheit der Reparaturkosten
  • Erforderlichkeit der durchgeführten Maßnahmen

Fazit und Empfehlungen

Das BGH-Urteil bringt mehr Klarheit in das komplexe Thema des Werkstattrisikos. Für Geschädigte bedeutet es, dass sie bei der Entscheidung über eine Abtretung die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen sollten. Werkstätten müssen sich auf höhere Beweisanforderungen einstellen.

Unser Tipp: Lassen Sie sich in komplexen Fällen von einem auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt beraten. Gerade bei höheren Schadenssummen oder strittigen Reparaturkosten kann eine professionelle Beratung entscheidend sein.


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Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.

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