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BGH-Urteil: Werkstattrisiko bei unbezahlten Reparaturrechnungen nach Verkehrsunfall

BGH – Urteil vom 16. Januar 2024 (Az. VI ZR 51/23)

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wichtige Grundsätze zum Werkstattrisiko bei Verkehrsunfällen präzisiert. Das Urteil betrifft die Frage, wann Geschädigte auch bei unbezahlten Werkstattrechnungen Ersatz von Reparaturkosten verlangen können.

Die Entscheidung im Überblick

Sachverhalt

Nach einem Verkehrsunfall im August 2021 ließ die Klägerin ihr Fahrzeug reparieren. Streitig waren Covid-19-Reinigungskosten in Höhe von 39,04 € netto, die das Autohaus in Rechnung stellte, die Haftpflichtversicherung aber nicht bezahlen wollte. Die Klägerin hatte diese Rechnung noch nicht beglichen.

Kernaussagen des BGH

1. Werkstattrisiko bei unbezahlten Rechnungen

Der BGH stellte klar: Auch bei unbezahlten Werkstattrechnungen kann sich der Geschädigte grundsätzlich auf das Werkstattrisiko berufen. Allerdings kann er in diesem Fall die Zahlung nicht an sich selbst, sondern nur direkt an die Werkstatt verlangen – und zwar Zug um Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen die Werkstatt.

2. Beweislast bei unbezahlten Rechnungen

Hat der Geschädigte die Rechnung noch nicht bezahlt, muss er beweisen, dass:

  • Die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden
  • Die Kosten objektiv erforderlich waren
  • Keine überhöhten Ansätze oder unwirtschaftliche Arbeitsweise vorliegen

3. Vertrauen in Fachwerkstätten

Der Geschädigte darf bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese:

  • Keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt
  • Nur objektiv erforderliche Reparaturmaßnahmen durchführt

Praktische Auswirkungen für Verkehrsunfall-Geschädigte

Was bedeutet das für Sie?

Wenn Sie die Rechnung bereits bezahlt haben:

  • Sie können weiterhin Ersatz der Reparaturkosten vom Schädiger verlangen.
  • Das Werkstattrisiko trägt der Schädiger bzw. dessen Versicherung.
  • Sie müssen nicht beweisen, dass alle Arbeiten tatsächlich durchgeführt wurden.

Wenn Sie die Rechnung noch nicht bezahlt haben:

  • Sie können nur Zahlung direkt an die Werkstatt verlangen.
  • Sie müssen beweisen, dass die Arbeiten durchgeführt wurden.
  • Die Beweislast für die Erforderlichkeit liegt bei Ihnen.

Kein Gutachten vor Reparatur erforderlich

Eine wichtige Klarstellung: Geschädigte sind nicht verpflichtet, vor der Reparatur ein Sachverständigengutachten einzuholen. Sie dürfen darauf vertrauen, dass die Fachwerkstatt wirtschaftlich arbeitet.

Schadenservice „aus einer Hand“ bleibt zulässig

Der BGH bestätigte, dass die Inanspruchnahme eines Schadenservice, bei dem die Werkstatt sowohl
Gutachten vermittelt als auch repariert, grundsätzlich zulässig ist. Dies stellt kein Verschulden dar,
das zur Verlagerung des Werkstattrisikos führt.

Rechtliche Einordnung

Das Urteil präzisiert die etablierte Rechtsprechung zum Werkstattrisiko nach § 249 Abs. 2 BGB. Die Grundsätze gelten sowohl für:

  • Überhöhte Arbeitszeiten oder Materialkosten
  • Unwirtschaftliche Arbeitsweise
  • Nicht durchgeführte Reparaturmaßnahmen

Empfehlungen für die Praxis

Für Geschädigte

  1. Rechnung zeitnah bezahlen, um sich auf das Werkstattrisiko berufen zu können
  2. Dokumentation sammeln über durchgeführte Arbeiten
  3. Seriöse Fachwerkstätten beauftragen
  4. Ansprüche gegen Werkstatt bei Problemen nicht vergessen

Für Versicherungen

  • Prüfung der tatsächlichen Durchführung bei unbezahlten Rechnungen
  • Beweislast des Geschädigten bei strittigen Positionen
  • Direktzahlung an Werkstatt als Lösungsweg

Fazit

Das BGH-Urteil stärkt die Position von Verkehrsunfall-Geschädigten, ohne die Kontrollmöglichkeiten der Versicherungen übermäßig zu beschränken. Die Regelung schafft einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligten.

Unser Tipp: Bei Verkehrsunfällen sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen, um Ihre Rechte optimal durchzusetzen und Fallstricke zu vermeiden.


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Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt.

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