Außerordentliche Kündigung wegen fehlender Baugenehmigung – Landgericht Köln stärkt Vermieterrechte
LG Köln – Urteil vom 5. Dezember 2019 (Az. 6 S 12/19)
Das Wichtigste in Kürze
Das Landgericht Köln hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass Vermieter auch nach jahrzehntelangem Dulden einer baurechtswidrigen Nutzung außerordentlich kündigen können, wenn der Mieter sich weigert, den rechtswidrigen Zustand abzustellen. Für Vermieter und Mieter gleichermaßen bietet diese Entscheidung wichtige Erkenntnisse zum Mietrecht und Baurecht.
Der Fall: 33 Jahre ohne Baugenehmigung
In dem verhandelten Fall hatte eine Mieterin bereits 1986 das Dachgeschoss ihrer Wohnung zu Wohnzwecken ausgebaut – ohne die erforderliche Baugenehmigung einzuholen. Über drei Jahrzehnte lang wurde dieser Zustand von verschiedenen Eigentümern geduldet. Erst 2018 mahnte die neue Vermieterin die fehlende Baugenehmigung ab und forderte die Mieterin auf, entweder eine nachträgliche Genehmigung zu beantragen oder die Nutzung des Dachgeschosses einzustellen.
Rechtliche Bewertung des Landgerichts Köln
Außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB
Das Gericht bestätigte die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und begründete dies mit
mehreren zentralen Punkten:
Erheblicher Vertragsverstoß: Die Weigerung der Mieterin, die Bauordnungswidrigkeit abzustellen, stellte einen so schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertragliche Rücksichtnahmepflicht dar, dass der Vermieterin die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar war.
Haftungsrisiken für Vermieter: Besonders hervorzuheben ist die Argumentation des Gerichts bezüglich der Risiken für die Vermieterin. Diese sah sich durch die baurechtswidrige Nutzung erhöhten Haftungsrisiken ausgesetzt, beispielsweise im Brandfall, und konnte potentiell selbst Ziel bauordnungsrechtlicher Sanktionen werden.
Mietvertragliche Pflichten bei Umbauten
Das Urteil macht deutlich, dass Mieter bei Aus- oder Umbauten umfassende Sorgfaltspflichten haben:
- Sach- und fachgerechte Ausführung: Jeder Ausbau muss nicht nur technisch korrekt, sondern auch im Einklang mit dem öffentlichen Baurecht erfolgen.
- Genehmigungspflicht des Mieters: Trägt der Mieter die Kosten für Umbauten, umfasst dies auch die Kosten für erforderliche Baugenehmigungen.
- Nachträgliche Legalisierung: Wird eine fehlende Genehmigung bekannt, muss der Mieter aktiv werden – entweder durch Beantragung einer nachträglichen Genehmigung oder Einstellung der rechtswidrigen Nutzung.
Keine Verwirkung trotz jahrzehntelanger Duldung
Ein besonders praxisrelevanter Aspekt der Entscheidung: Das Gericht sah trotz der 33-jährigen Duldung keine Verwirkung des Kündigungsrechts. Die Pflicht zur Beseitigung bauordnungswidriger Zustände erlischt nicht durch Zeitablauf. Dies bedeutet für die Praxis:
- Vermieter können auch nach Jahren noch auf Einhaltung des Baurechts bestehen
- Es entsteht kein automatischer „Bestandsschutz“ für rechtswidrige Mieterausbauten
- Mieter sollten bei Umbauten stets auf vollständige Genehmigung achten
Räumungsfrist und Interessensabwägung
Trotz der bestätigten Kündigung gewährte das Gericht der Mieterin eine Räumungsfrist bis zum 30. Juni 2020. Dabei berücksichtigte es den angespannten Kölner Wohnungsmarkt und die Tatsache, dass die Mieterin nach dem erstinstanzlichen Urteil zu ihren Gunsten nicht zwingend mit einer Räumungspflicht rechnen musste.
Wichtige Auflage: Die Räumungsfrist wurde nur unter der Bedingung gewährt, dass die Dachgeschossräume sofort nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen.
Praktische Konsequenzen für Vermieter und Mieter
Für Vermieter
- Regelmäßige Kontrolle der Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften
- Bei Kenntnis von Verstößen zeitnahe Abmahnung und Fristsetzung
- Dokumentation aller Schritte für eventuelle gerichtliche Auseinandersetzungen
Für Mieter
- Vor jedem Umbau oder Ausbau Klärung der Genehmigungspflicht
- Bei bestehenden ungenehmigten Ausbauten proaktive Legalisierung anstreben
- Keine Verweigerung bei berechtigten Vermieterforderungen zur Rechtsdurchsetzung
Bedeutung für das Mietrecht
Diese Entscheidung stärkt die Position der Vermieter erheblich und macht deutlich, dass bauordnungsrechtliche Verstöße nicht durch langjährige Duldung sanktionsfrei werden. Sie unterstreicht die Bedeutung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht und zeigt auf, dass Vermieter nicht dauerhaft rechtwidrige Zustände hinnehmen müssen, die sie Haftungsrisiken aussetzen.
Fazit und Empfehlung
Das Urteil des Landgerichts Köln macht deutlich: Bauordnungsrecht und Mietrecht greifen eng ineinander. Mieter sollten bei Umbauten stets auf vollständige Genehmigung achten, Vermieter können auch nach Jahren noch auf Rechtsdurchsetzung bestehen. Bei komplexen mietrechtlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit Baumaßnahmen, empfiehlt sich die frühzeitige Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt.
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