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BGH-Urteil zur Kopfhörer-Kennzeichnung nach ElektroG: Was Händler wissen müssen

BAG – Urteil vom 9. Juli 2015 (Az. I ZR 224/13)

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem wegweisenden Urteil vom 9. Juli 2015 wichtige Grundsätze zur Kennzeichnungspflicht von Elektro- und Elektronikgeräten nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) festgelegt. Für Online-Händler und Vertreiber von Elektronikprodukten ergeben sich daraus wichtige rechtliche Konsequenzen

Der Sachverhalt: Streit um Kopfhörer-Kennzeichnung

Im vorliegenden Fall standen sich zwei Konkurrenten im eBay-Handel mit Kopfhörern gegenüber. Die beklagte Händlerin hatte sich nach einer Abmahnung per Unterlassungserklärung verpflichtet, nur ordnungsgemäß nach ElektroG gekennzeichnete Kopfhörer zu verkaufen. Bei Zuwiderhandlung versprach sie eine Vertragsstrafe von 5.100 Euro.

Trotz dieser Verpflichtung verkaufte sie bei Testkäufen Kopfhörer, deren Herstellerkennzeichnung lediglich auf Klebefähnchen am Kabel angebracht war. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen die Dauerhaftigkeitsanforderungen des § 7 Satz 1 ElektroG.

Die Entscheidung des BGH: Vier zentrale Leitsätze

1. ElektroG als Marktverhaltensregelung im Wettbewerbsrecht

Der BGH stellte klar, dass § 7 Satz 1 ElektroG eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellt. Die Kennzeichnungspflicht dient nicht nur dem Umweltschutz, sondern schützt Mitbewerber vor unfairer Belastung mit höheren Entsorgungskosten durch nicht gekennzeichnete Geräte anderer Marktteilnehmer.

2. Dauerhaftigkeit der Kennzeichnung seit 2012 EU-rechtskonform

Das Dauerhaftigkeitserfordernis des deutschen ElektroG steht seit dem 13. August 2012 im Einklang mit der EU-Richtlinie 2012/19/EU über Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Die europäische Norm EN 50419 bestätigt, dass Kennzeichnungen „sichtbar, leserlich und dauerhaft“ sein müssen.

3. Definition der dauerhaften Kennzeichnung

Eine Kennzeichnung ist als dauerhaft anzusehen, wenn sie:

  • Ein Mindestmaß an Unzerstörbarkeit aufweist
  • Nicht unschwer zu entfernen ist
  • Nicht von Verbrauchern als störend empfunden wird

Im vorliegenden Fall waren die Klebefähnchen am Kabel nicht dauerhaft, da sie:

  • Ohne Schwierigkeiten mit einer Schere abgeschnitten werden konnten
  • Aus Verbrauchersicht störend wirkten
  • Daher regelmäßig entfernt werden würden

4. Zusammenfassung mehrerer Verstöße zu einer Vertragsstrafe

Mehrere gleichartige Zuwiderhandlungen können als ein einziger Verstoß gewertet werden, wenn sie:

  • Gleichartig sind und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen wurden
  • Zeitlich in engem Zusammenhang stehen
  • Der Handelnde sein Verhalten als wettbewerbskonform ansah

Praktische Konsequenzen für Händler

Für Online-Händler von Elektronikprodukten

  • Sorgfältige Prüfung der Kennzeichnung: Stellen Sie sicher, dass alle Elektrogeräte dauerhaft gekennzeichnet sind.
  • Nicht nur auf Verpackung verlassen: Auch Kennzeichnungen an Kabeln müssen dauerhaft sein.
  • Herstellerverantwortung prüfen: Als Importeur oder Vertreiber können Sie selbst als Hersteller im Sinne des ElektroG gelten.

Wettbewerbsrechtliche Risiken

  • Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht können von Mitbewerbern abgemahnt werden
  • Hohe Vertragsstrafen drohen bei wiederholten Verstößen
  • Unterlassungsansprüche und Schadensersatz sind möglich

Empfehlungen für die Praxis

  1. Kennzeichnung prüfen: Kontrollieren Sie bei allen Elektrogeräten, ob die Erstellerkennzeichnung dauerhaft und nicht leicht entfernbar ist.
  2. Lieferanten sensibilisieren: Fordern Sie von Ihren Lieferanten ordnungsgemäße Kennzeichnung nach deutschen Standards.
  3. Rechtliche Beratung: Lassen Sie bei Unsicherheiten die Kennzeichnung Ihrer Produkte rechtlich prüfen.
  4. Dokumentation: Dokumentieren Sie Ihre Bemühungen um ordnungsgemäße Kennzeichnung.

Fazit: Strengere Maßstäbe für Elektronik-Händler

Das BGH-Urteil verschärft die Anforderungen an die dauerhafte Kennzeichnung von Elektrogeräten erheblich. Händler müssen besondere Sorgfalt walten lassen und können sich nicht mehr auf einfache Klebeetiketten verlassen. Die Entscheidung zeigt auch, dass Wettbewerbsverstöße im Bereich des ElektroG ernst genommen und mit erheblichen finanziellen Konsequenzen geahndet werden.


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Rechtsgebiete: Wettbewerbsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, E-Commerce-Recht, Abmahnungen

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