Kündigung ehrenamtlicher Richter: BAG stärkt Arbeitgeberrechte bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung
BAG – Urteil vom 18. Juni 2025 – 2 AZR 228/23
Das Wichtigste in Kürze
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine wichtige Entscheidung zur Kündigung ehrenamtlicher Richter und zur Umdeutung unwirksamer Kündigungen getroffen. Der Fall zeigt, dass auch ehrenamtliche Richter nicht vor allen Kündigungen geschützt sind und verdeutlicht die Grenzen des besonderen Kündigungsschutzes.
Der Fall: Technical Project Manager und ehrenamtlicher Richter
Der Kläger war seit 1997 bei der beklagten Firma beschäftigt und wurde 2017 zum ehrenamtlichen Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg berufen. Als Technical Project Manager arbeitete er seit April 2017 zu 100% im Homeoffice in einem internationalen virtuellen Team. Ende 2020 stellte ihn die Arbeitgeberin „bis auf Weiteres unwiderruflich“ frei.
Im November 2021 sprach die Beklagte eine außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist zum 30. Juni 2022 aus und bot gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Standort an. Der Arbeitnehmer lehnte das Änderungsangebot ab und klagte gegen die Kündigung.
Die Entscheidung des BAG: Umdeutung rettet die Kündigung
Außerordentliche Kündigung unwirksam
Das BAG stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist unverhältnismäßig und damit unwirksam war. Die Arbeitgeberin hätte das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen können, wodurch der Griff zur außerordentlichen Kündigung nicht gerechtfertigt war.
Erfolgreiche Umdeutung in ordentliche Kündigung
Entscheidend war jedoch: Das Gericht deutete die unwirksame außerordentliche Kündigung in eine wirksame ordentliche Kündigung um (§ 140 BGB). Die Voraussetzungen hierfür lagen vor:
- Der mutmaßliche Wille der Arbeitgeberin war eindeutig auf Beendigung des
- Arbeitsverhältnisses gerichtet
- Mehrere vorherige Kündigungsversuche belegten diesen Willen
- Die unwiderrufliche Freistellung zeigte, dass keine Weiterbeschäftigung gewünscht war
Kein Sonderkündigungsschutz für ehrenamtliche Richter
Brandenburgische Verfassung nicht anwendbar
Obwohl der Kläger ehrenamtlicher Richter war, griff der besondere Kündigungsschutz nach Art. 110
Abs. 1 Satz 2 der Brandenburgischen Verfassung nicht ein. Das BAG begründete dies mit zwei
Argumenten:
- Staatsvertrag über gemeinsame Fachobergerichte: Da das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg seinen Sitz in Berlin hat, gelten einheitlich die Berliner Vorschriften – Berlin kennt aber keinen entsprechenden Kündigungsschutz.
- Kein betrieblicher Bezug zu Brandenburg: Die Beklagte gehörte nicht zum „Staatsvolk“ Brandenburgs und hatte keinen relevanten betrieblichen Bezug zum Land Brandenburg.
Kein Betriebsratsmitgliederschutz mehr
Der Kläger konnte sich auch nicht auf den besonderen Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG) berufen. Seine Betriebsratsmitgliedschaft war bereits im April 2017 beendet, da er seitdem keinem konkreten Betrieb mehr zugeordnet war.
Praktische Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Für Arbeitgeber
- Umdeutung als Rettungsanker: Selbst wenn eine außerordentliche Kündigung unwirksam ist, kann sie unter Umständen als ordentliche Kündigung wirksam sein.
- Eindeutige Willensbekundung wichtig: Der Beendigungswille muss für den Arbeitnehmer bereits bei Zugang der Kündigung erkennbar sein.
- Homeoffice schwächt Betriebszugehörigkeit: Mitarbeiter im reinen Homeoffice ohne konkreten Betriebsbezug genießen unter Umständen weniger Schutz.
Für Arbeitnehmer
- Sonderkündigungsschutz hat Grenzen: Auch ehrenamtliche Richter sind nicht absolut vor Kündigungen geschützt.
- Betriebszugehörigkeit entscheidend: Ohne klare Zuordnung zu einem Betrieb greifen wichtige Schutzvorschriften nicht.
- Frühzeitige rechtliche Beratung wichtig: Die komplexen Zusammenhänge erfordern fachkundige Einschätzung.
Fazit: Differenzierte Betrachtung des Kündigungsschutzes
Das BAG-Urteil zeigt, dass der Kündigungsschutz für ehrenamtliche Richter nicht grenzenlos ist und von verschiedenen Faktoren abhängt. Entscheidend sind:
- der Sitz des Gerichts und die damit verbundenen landesrechtlichen Regelungen
- die betriebliche Zuordnung des Arbeitnehmers
- der Grund der Kündigung und ihr Zusammenhang zur Richtertätigkeit
Für die Praxis bedeutet dies: Eine individuelle rechtliche Prüfung ist in jedem Einzelfall unerlässlich. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich frühzeitig beraten lassen, um ihre Rechtsposition korrekt einzuschätzen.
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