BGH-Urteil: Wann wird die Wohnungsnutzung vertragswidrig? Wichtiges Urteil für Mieter und Vermieter
BGH – Urteil vom 8. Dezember 2010 (Az.: VIII ZR 93/10)
Das Wichtigste in Kürze
Bundesgerichtshof entscheidet über Grenzen der Wohnungsnutzung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wichtigen Urteil die Grenzen der vertragsgemäßen Nutzung von Wohnraum präzisiert. Das Urteil zeigt auf, wann Vermieter erfolgreich gegen eine vermeintlich vertragswidrige Nutzung vorgehen können und wo die Rechte des Mieters beginnen.
Der Sachverhalt: Streit um Wohnungsnutzung
Ein Mieter hatte seit 1986 Räume in München angemietet, die vertraglich „zur Benutzung als Wohnung“ überlassen wurden. Seit September 2000 wohnte er jedoch mit seiner Tochter in einer anderen Wohnung, die als Erstwohnsitz gemeldet war. Die ursprünglich angemieteten Räume wurden als „Nebenwohnung“ geführt.
In diesen Räumen befanden sich:
- Umfangreicher eigener und ererbter Hausrat
- Gegenstände der verstorbenen Großmutter
- Verschiedene Hausratsgegenstände, die der Mieter über Zeitungsanzeigen verkaufte
Die Vermieterin sah darin eine vertragswidrige gewerbliche Nutzung und klagte auf Unterlassung.
Die Entscheidung des BGH: Keine Gebrauchspflicht für Mieter
Grundsätzliche Rechtslage
Der BGH bestätigte wichtige Grundsätze des Mietrechts:
1. Keine Gebrauchspflicht des Mieters
- Mieter sind nicht verpflichtet, in den angemieteten Räumen tatsächlich zu wohnen.
- Wo der Mieter seinen Lebensmittelpunkt begründet, bleibt seiner freien Entscheidung überlassen.
- Das Gesetz kennt keine Gebrauchspflicht.
2. Hausratsgegenstände sind typisch für Wohnnutzung
- Die Existenz von Hausratsgegenständen in einer Wohnung ist charakteristisch für Wohnnutzung.
- Anzahl und Anordnung der Gegenstände sind dabei unerheblich.
- Auch umfangreicher Hausrat ändert nichts am Wohncharakter.
Verkauf von Hausratsgegenständen erlaubt
Besonders relevant für die Praxis: Der BGH stellte klar, dass Mieter grundsätzlich berechtigt sind, eigene oder in ihrer Verfügungsbefugnis stehende Hausratsgegenstände zu verkaufen – auch wenn dies nach außen in Erscheinung tritt.
Grenzen der erlaubten Nutzung
Dennoch gibt es Grenzen, bei deren Überschreitung ein Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB entstehen kann:
Wann liegt vertragswidriger Gebrauch vor?
- Gewerbliche Beschaffung: Gegenstände werden nicht zur persönlichen Nutzung, sondern zum alsbaldigen Weiterverkauf erworben.
- Verletzung von Schutzpflichten: Der Mieter verletzt seine Obhutspflichten bezüglich der Mietsache.
- Störung anderer Mieter: Die Verkaufstätigkeiten beeinträchtigen den vertragsgemäßen Gebrauch anderer Mieter.
- Gewerbsmäßigkeit: Professioneller Handel mit entsprechender Außenwirkung (Schilder, regelmäßige Kunden, Mitarbeiter).
Beweislast liegt beim Vermieter
Wichtig: Der Vermieter muss konkret darlegen und beweisen, dass eine vertragswidrige Nutzung vorliegt. Allgemeine Behauptungen reichen nicht aus.
Praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter
Für Mieter
- Sicherheit: Grundsätzlich keine Verpflichtung zum tatsächlichen Wohnen in den angemieteten Räumen.
- Verkaufsrecht: Hausratsgegenstände dürfen verkauft werden.
- Lagerung: Extensive Lagerung von Hausrat ist zulässig.
Für Vermieter
- Hohe Hürden: Nachweis vertragswidrigen Gebrauchs erfordert konkrete Tatsachen.
- Abmahnung notwendig: Vor Klageerhebung muss abgemahnt werden.
- Präzise Anträge: Unterlassungsanträge müssen hinreichend bestimmt sein.
Relevanz für die Beratungspraxis
Dieses Urteil ist besonders relevant für:
- Streitigkeiten über Wohnungsnutzung
- Gewerbliche Nutzung von Wohnräumen
- Verkauf von Hausratsgegenständen
- Nebenwohnungen und Zweitwohnungen
Beratungshinweise
- Vertragsgestaltung: Vermieter sollten bei Bedarf spezifische Nutzungsklauseln vereinbaren.
- Dokumentation: Bei Verdacht auf vertragswidrige Nutzung müssen konkrete Belege gesammelt werden.
- Antragsstellung: Unterlassungsanträge müssen präzise formuliert werden.
Fazit
Das BGH-Urteil stärkt die Position der Mieter erheblich. Es zeigt, dass die Nutzung von Wohnraum flexibel gehandhabt werden kann, solange der grundsätzliche Wohncharakter erhalten bleibt. Für Vermieter wird es schwieriger, gegen vermeintlich vertragswidrige Nutzung vorzugehen.
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Dieser Beitrag basiert auf dem BGH-Urteil vom 8. Dezember 2010, Az. VIII ZR 93/10. Die Darstellung ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.