BGH-Urteil: Mahnkosten von Energieversorgern müssen angemessen sein
BGH – Urteil vom 26. Juni 2019 (Az. VIII ZR 95/18)
Das Wichtigste in Kürze
BGH stärkt Verbraucherrechte bei überhöhten Pauschalen für Mahnungen und Versorgungsunterbrechungen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Energieversorger keine überhöhten Pauschalen für Mahnkosten und Versorgungsunterbrechungen von Verbrauchern verlangen dürfen. Das Urteil stärkt die Rechte von Strom- und Gaskunden erheblich.
Hintergrund des Falls
Ein Energieversorgungsunternehmen berechnete seinen Kunden folgende Pauschalen:
- Mahnkosten: 2,50 Euro pro Mahnung
- Vorort-Inkasso: 77,13 Euro
- Versorgungsunterbrechung: 77,13 Euro
Ein qualifizierter Verbraucherverband klagte gegen diese Praxis und forderte die Unterlassung der Verwendung entsprechender Klauseln.
Die Entscheidung des BGH
Mahnkosten: Verwaltungsaufwand nicht erstattungsfähig
Der BGH stellte klar, dass die Mahnkostenpauschale von 2,50 Euro unwirksam ist, weil sie nicht erstattungsfähige Kosten enthält:
- Folgekosten für das Forderungsmanagement (wie Personalkosten, Telefonanrufe, IT-Kosten) trägt das Unternehmen grundsätzlich selbst.
- Verzugszinsen sind eine separate Schadensposition und dürfen nicht in Mahnkosten eingerechnet werden.
- Nur direkte Kosten (Druck, Kuvertierung, Frankierung, Versendung) sind erstattungsfähig.
Versorgungsunterbrechung: Pauschale muss nachvollziehbar sein
Auch die Pauschale von 77,13 Euro für Versorgungsunterbrechungen und „Vorort-Inkasso“ ist rechtswidrig:
- Der Energieversorger konnte nicht nachweisen, dass diese Kosten tatsächlich entstehen.
- Die Netzbetreiberin berechnete nur 73,63 Euro pro Unterbrechung.
- Der Branchendurchschnitt lag bei nur 47-49 Euro.
- Die Klausel zum „Vorort-Inkasso“ war zudem intransparent.
Rechtliche Grundlagen
Das Urteil basiert auf mehreren Rechtsvorschriften:
- § 309 Nr. 5 BGB: Pauschale darf erwarteten Schaden nicht übersteigen
- § 307 BGB: Transparenzgebot und Angemessenheitskontrolle
- § 17 StromGVV/GasGVV: Spezielle Regelungen für Grundversorger
- § 19 StromGVV/GasGVV: Bestimmungen zur Versorgungsunterbrechung
Bedeutung für Verbraucher
Ihre Rechte als Strom- und Gaskunde
- Überhöhte Mahnkosten zurückfordern: Haben Sie zu viel bezahlt, können Sie Erstattung verlangen.
- Pauschalen hinterfragen: Energieversorger müssen nachweisen, dass ihre Pauschalen angemessen sind.
- Transparenz einfordern: Klauseln müssen klar und verständlich sein.
Praktische Tipps
- Prüfen Sie Ihre Rechnungen auf überhöhte Pauschalen.
- Verlangen Sie Nachweise für die Höhe der berechneten Kosten.
- Wenden Sie sich an einen Anwalt, wenn Sie überhöhte Kosten bezahlt haben.
- Nutzen Sie Verbraucherrechte zur Rückforderung.
Auswirkungen auf die Energiebranche
Das Urteil hat weitreichende Folgen:
- Anpassung von AGB: Energieversorger müssen ihre Klauseln überarbeiten.
- Kostennachweis erforderlich: Pauschalen müssen nachvollziehbar kalkuliert werden.
- Verbraucherschutz gestärkt: Weniger Spielraum für überhöhte Gebühren.
Besonderheiten für Grundversorger
Auch Energieversorger mit Kontrahierungszwang und Daseinsvorsorge-Auftrag können sich nicht auf erhöhte Zahlungsausfälle berufen:
- Höhere Anzahl von Mahnungen rechtfertigt keine höheren Einzelkosten
- Allgemeine Verwaltungskosten bleiben nicht erstattungsfähig
- Gesetzgeber hat bewusst keine Ausnahmen vorgesehen
Fazit und Handlungsempfehlungen
Das BGH-Urteil ist ein wichtiger Erfolg für den Verbraucherschutz. Energiekunden sollten:
- Alte Rechnungen auf überhöhte Pauschalen prüfen
- Bei Verdacht auf rechtswidrige Gebühren rechtliche Beratung suchen
- Künftig kritisch prüfen, ob berechnete Pauschalen angemessen sind
Energieversorger müssen:
- Ihre Pauschalen rechtssicher kalkulieren
- Transparente und nachvollziehbare Klauseln verwenden
- Bereits erhobene überhöhte Gebühren möglicherweise zurückerstatten
Haben Sie Fragen zu überhöhten Energiekosten oder möchten Sie prüfen lassen, ob Sie zu viel bezahlt haben? Unsere Rechtsanwälte in Leipzig beraten Sie gerne zu Ihren Verbraucherrechten.
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