Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Eigenbedarf: Schadensersatz von 7.646 €
AG Waiblingen – Urteil vom 15.01.2019 (Az.: 9 C 1106/18)
Das Wichtigste in Kürze
Das AG Waiblingen hat eine wichtige Entscheidung zum Thema Eigenbedarfskündigung getroffen. Eine Vermieterin wurde zur Zahlung von 7.646,20 € Schadensersatz verurteilt, nachdem sie eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen hatte, ohne tatsächlich in die Wohnung einzuziehen.
Sachverhalt: Eigenbedarfskündigung ohne Einzug
Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis einer Wohnung in Fellbach am 26.09.2016 wegen Eigenbedarfs zum 30.06.2017. Als Begründung gab sie an, die Wohnung mit ihren zwei Kindern beziehen zu wollen. Nach dem Auszug der Mieterin zog jedoch ein neuer Mieter ein – die Vermieterin selbst bezog die Wohnung nie. Die Mieterin sah hierin eine vorgeschobene Eigenbedarfskündigung und klagte auf Schadensersatz.
Rechtliche Bewertung durch das Gericht
Pflichtverletzung bei vorgetäuschtem Eigenbedarf
Das Gericht stellte eine Pflichtverletzung der Vermieterin nach § 280 Abs. 1 BGB fest. Eine Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Eigenbedarf stellt eine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar.
Beweislast und Darlegungspflicht
Das Gericht führte aus:
- Grundsätzlich muss der Mieter das Fehlen des Eigenbedarfs beweisen.
- Bei nachträglichem Wegfall des Eigenbedarfs hat jedoch der Vermieter die sekundäre Darlegungslast.
- Der Vermieter muss substantiiert darlegen, warum der Eigenbedarf weggefallen ist.
Unzureichende Begründung der Vermieterin
Die Vermieterin behauptete, ihr in den USA lebender Ehemann sei erkrankt und benötige ihre Pflege, weshalb der geplante Umzug verschoben werden musste. Das Gericht bewertete diese Darlegung als unzureichend, da:
- Nicht konkret dargelegt wurde, wann die Erkrankung eintrat
- Die Schwere der Erkrankung nicht hinreichend belegt wurde
- Eine Mitteilungspflicht bei Wegfall des Eigenbedarfs vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfüllt wurde
Schadensersatz: 7.646,20 € für Umzugs- und Mehrkosten
Das Gericht sprach der Mieterin folgende Schäden zu:
- Umzugskosten: 1.166,20 €
- Mietdifferenz: 6.480,00 € (270 € monatlich für 24 Monate)
Die neue Wohnung war bei vergleichbarer Größe, Lage und Ausstattung um 270 € teurer. Das Gericht hielt einen Zeitraum von 24 Monaten für die Mietdifferenz für angemessen.
Praktische Tipps für Vermieter
Eigenbedarfskündigung rechtssicher gestalten
- Konkreter Eigenbedarf: Der Eigenbedarf muss zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich bestehen.
- Nachvollziehbare Begründung: Die Kündigung muss ausführlich und nachvollziehbar begründet werden.
- Tatsächlicher Einzug: Nach der Kündigung muss der Eigennutzer auch tatsächlich einziehen.
Bei Wegfall des Eigenbedarfs
- Sofortige Mitteilung an den Mieter, wenn der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist wegfällt
- Substantiierte Darlegung der Gründe für den Wegfall
- Dokumentation aller relevanten Umstände
Rechte von Mietern bei unwirksamer Eigenbedarfskündigung
Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB
Mieter können bei unwirksamer Eigenbedarfskündigung folgende Schäden geltend machen:
- Umzugskosten
- Mietdifferenz zur neuen Wohnung
- Weitere Folgeschäden
Verjährung und Zinsen
- Ansprüche verjähren nach drei Jahren
- Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sind möglich
Fazit: Eigenbedarfskündigung erfordert ernsthafte Absicht
Das Urteil des AG Waiblingen zeigt deutlich: Eine Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Eigenbedarf kann teuer werden. Vermieter müssen sicherstellen, dass der Eigenbedarf real und nachvollziehbar ist. Mieter sollten bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Eigenbedarfskündigung ihre Rechte prüfen lassen.
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Dieser Beitrag dient der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Rechtsfragen wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt für Mietrecht.