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Falsche Tatortangabe im Bußgeldbescheid: Wann ist der Bußgeldbescheid trotzdem wirksam?

KG Berlin – Beschluss vom 23.09.2024 (Az. 3 ORbs 166/24)

Das Wichtigste in Kürze

Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 23.09.2024 (Az. 3 ORbs 166/24) entschieden, dass eine falsche Tatortangabe im Bußgeldbescheid nicht automatisch zur Unwirksamkeit führt. Entscheidend ist, ob der wahre Tatort für den Betroffenen erkennbar bleibt.

Der Fall: Geschwindigkeitsüberschreitung mit falscher Adresse

In dem verhandelten Fall ging es um eine Geschwindigkeitsüberschreitung in einer 30 km/hZone. Der Bußgeldbescheid enthielt jedoch eine falsche Hausummer als Tatort – statt Hausnummer 29 wurde Hausnummer 65 angegeben. Der betroffene Autofahrer wurde unmittelbar nach der Messung von Polizeibeamten angehalten.

Die Rechtslage: Wann sind Tatortfehler unschädlich?

Grundsatz der Erkennbarkeit

Das Kammergericht stellte klar: Eine fehlerhafte Tatortangabe macht den Bußgeldbescheid nicht unwirksam, wenn:

  • Der richtige und falsche Tatort nahe beieinanderliegen
  • Der wahre Tatort für den Betroffenen ohne Weiteres erkennbar ist
  • Der Betroffene unmittelbar nach der Tat angehalten wurde
  • Der Betroffene sich zur Ordnungswidrigkeit äußern konnte

Verjährungsunterbrechung bleibt wirksam

Wichtig für die Praxis: Auch die Verjährungsunterbrechung durch den Bußgeldbescheid bleibt trotz falscher Tatortangabe wirksam, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Verteidigungsrechte: Hohe Hürden für Verfahrensrügen

Darlegungslast bei Verfahrensrügen

Das Gericht machte deutlich: Wer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder anderer Verfahrensrechte rügt, muss konkret darlegen, wie er sich anders verteidigt hätte

Praktische Auswirkungen

  • Pauschale Verfahrensrügen reichen nicht aus
  • Die konkrete Beeinträchtigung der Verteidigung muss dargelegt werden
  • Bloße Behauptungen ohne Substanz führen zur Verwerfung der Rechtsbeschwerde

Praxis-Tipps für Betroffene

Bei falschen Tatortangaben prüfen

  1. Liegt der angegebene Tatort in der Nähe des tatsächlichen Tatorts?
  2. War der tatsächliche Tatort sofort erkennbar?
  3. Erfolgte eine unmittelbare Anhaltung durch die Polizei?
  4. Konnte eine Stellungnahme zur Ordnungswidrigkeit abgegeben werden?

Rechtsmittel sorgfältig begründen

  • Konkrete Darlegung der Verteidigungsbeeinträchtigung erforderlich
  • Pauschale Rügen sind unzulässig
  • Substanzierter Vortrag zu alternativen Verteidigungsstrategien notwendig

Bedeutung für die Rechtspraxis

Rechtssicherheit gestärkt

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit bei geringfügigen Fehlern in Bußgeldbescheiden und verhindert eine übermäßige Formalisierung des Bußgeldverfahrens.

Schutz vor Missbrauch

Gleichzeitig wird verhindert, dass reine Formalfehler ohne tatsächliche Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte zur Verfahrenseinstellung führen.

Fazit

Das Kammergericht Berlin hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass nicht jeder Fehler im Bußgeldbescheid zur Unwirksamkeit führt. Entscheidend ist die praktische Erkennbarkeit des wahren Sachverhalts für den Betroffenen.

Für Verkehrsteilnehmer bedeutet dies: Eine falsche Tatortangabe allein ist noch kein Grund zur Hoffnung auf Verfahrenseinstellung. Für Rechtsanwälte gilt: Verfahrensrügen müssen substanziiert und mit konkreten Auswirkungen auf die Verteidigung begründet werden.


Sie haben einen Bußgeldbescheid mit fehlerhaften Angaben erhalten? Unsere erfahrenen Rechtsanwälte prüfen Ihren Fall gerne auf Erfolgsaussichten einer Einspruchseinlegung. Kontaktieren Sie uns für eine kostenlose Erstberatung.

Rechtsgrundlagen

  • § 71 Abs. 1 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz)
  • § 265 StPO (Strafprozessordnung)
  • Art. 103 Abs. 1 GG (Grundgesetz)
  • § 79 Abs. 3 OWiG (Rechtsbeschwerde)

FAQ

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