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Karenzentschädigung: BAG entscheidet über virtuelle Aktienoptionen

BAG – Urteil vom 27. März 2025 (Az. 8 AZR 63/24)

Das Wichtigste in Kürze

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine wichtige Entscheidung zur Berechnung der Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten getroffen. Erstmals wurde höchstrichterlich geklärt, dass virtuelle Aktienoptionen unter bestimmten Voraussetzungen in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen sind.

Der Fall im Überblick

Ein Executive Director of Finance hatte bei einem Unternehmen der Ferienwohnungsbranche gearbeitet und dabei neben seinem festen Jahresgehalt von 100.000 Euro auch an einem virtuellen Aktienoptionsprogramm teilgenommen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag sollte ein sechsmonatiges Wettbewerbsverbot gelten, für das der Arbeitgeber eine Karenzentschädigung zu zahlen hatte.

Der Streitpunkt: Sollten die Erlöse aus den virtuellen Aktienoptionen in Höhe von über 160.000 Euro, die der Arbeitnehmer im Oktober 2021 während des laufenden Arbeitsverhältnisses erhalten hatte, bei der Berechnung der Karenzentschädigung berücksichtigt werden?

Die Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht entschied eindeutig zugunsten des Arbeitnehmers und stellte fest:

Virtuelle Aktienoptionen sind karenzentschädigungspflichtig, wenn sie im laufenden Arbeitsverhältnis ausgeübt werden.

Kernaussagen des Urteils

  1. Vergütungscharakter: Leistungen aus virtuellen Aktienoptionsprogrammen stellen vertragsmäßige Leistungen im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB dar, sofern sie als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gewährt werden.
  2. Ausübung im laufenden Arbeitsverhältnis: Entscheidend ist, dass die Optionsrechte noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurden. Nur dann fließen sie in die Berechnung der Karenzentschädigung ein.
  3. Berechnung als wechselnde Bezüge: Die Optionserträge werden nach § 74b Abs. 2 HGB als wechselnde Bezüge behandelt und mit dem Durchschnitt über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses berechnet.

Praktische Auswirkungen

Für Arbeitnehmer

  • Höhere Karenzentschädigungen: Wer an Aktienoptionsprogrammen teilnimmt, kann mit deutlich höheren Karenzentschädigungen rechnen.
  • Rechtssicherheit: Klare Abgrenzung zwischen berücksichtigungsfähigen und nicht berücksichtigungsfähigen Optionserträgen.
  • Durchsetzung von Ansprüchen: Stärkung der Position bei Verhandlungen über Wettbewerbsverbote.

Für Arbeitgeber

  • Höhere Kosten: Karenzentschädigungen können erheblich steigen, wenn Mitarbeiter an Optionsprogrammen teilnehmen.
  • Vertragsgestaltung überdenken: Wettbewerbsverbote werden kostspieliger und müssen neu kalkuliert werden.
  • Alternative Strategien: Verzicht auf Wettbewerbsverbote nach § 75a HGB wird attraktiver.

Wichtige Abgrenzungen

Das BAG stellte klar, dass nicht alle Optionserträge berücksichtigungsfähig sind:

  • ❌ Nicht berücksichtigungsfähig: Optionen, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.
  • ✅ Berücksichtigungsfähig: Optionen, die noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurden.

Handlungsempfehlungen

Für betroffene Arbeitnehmer

  1. Prüfung bestehender Vereinbarungen: Lassen Sie prüfen, ob Ihre Karenzentschädigung korrekt berechnet wurde.
  2. Dokumentation: Sammeln Sie alle Unterlagen zu erhaltenen Optionserträgen.
  3. Rechtliche Beratung: Holen Sie sich frühzeitig anwaltlichen Rat, insbesondere bei hohen Optionserträgen.

Für Unternehmen

  1. Vertragsanpassungen: Überprüfen Sie bestehende Wettbewerbsverbotsklauseln.
  2. Kostenkalkulationen: Berücksichtigen Sie Optionsprogramme bei der Berechnung von Karenzentschädigungen.
  3. Strategische Neuausrichtung: Prüfen Sie alternative Instrumente zur Mitarbeiterbindung.

Ausblick

Diese Entscheidung wird erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben, insbesondere in der Startup- und Tech-Branche, wo virtuelle Aktienoptionsprogramme weit verbreitet sind. Unternehmen müssen ihre Kalkulationen für Wettbewerbsverbote neu bewerten und möglicherweise häufiger auf den Verzicht nach § 75a HGB setzen.


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