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Kein Schadensersatz bei Nichtunterzeichnung eines Mietvertrages – Wichtige Entscheidung des AG München

AG München – Urteil vom 14.07.2020 – 473 C 21303/19

Wann können Vermieter bei einem geplatzten Mietvertrag Schadensersatz verlangen? Eine aktuelle Gerichtsentscheidung aus München bringt Klarheit in diese wichtige Rechtsfrage.

Der Fall: Wenn der Traummieter abspringt

Die Situation kennen viele Vermieter: Nach wochenlangen Besichtigungen haben Sie endlich den perfekten Mieter gefunden. Der Mietvertrag ist bereits vorbereitet, die anderen Interessenten wurden abgesagt – doch kurz vor der Unterzeichnung springt der potenzielle Mieter ab. In dem vorliegenden Fall aus München war genau das passiert: Ein Paar hatte sich um eine Dreizimmerwohnung beworben, erhielt die mündliche Zusage, doch während des Urlaubs stellten die beiden fest, dass sie doch nicht zusammenziehen wollten.

Die Rechtsposition der Vermieter

Die Vermieter forderten 1.450 Euro Schadensersatz für die entgangene Oktobermiete und beriefen sich auf die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo). Ihre Argumentation:

  • Durch die mündliche Zusage sei ein gesetzliches Schuldverhältnis entstanden.
  • Die Mieter hätten berechtigtes Vertrauen auf den Vertragsabschluss erweckt.
  • Der Abbruch der Verhandlungen sei schuldhaft erfolgt.
  • Es sei ein Schaden durch Mietausfall entstanden.

Die Entscheidung des Gerichts: Klare Absage

Das Amtsgericht München wies die Klage vollständig ab und stellte wichtige Rechtsgrundsätze klar:

1. Schriftformvereinbarung verhindert vorzeitiges Vertrauen

Wenn die Parteien konkludent eine Schriftform vereinbart haben (was bei professioneller Mietvertragserstellung der Standard ist), können Vermieter vor Unterzeichnung grundsätzlich kein berechtigtes Vertrauen auf den Vertragsabschluss entwickeln. Das Gericht betonte: „Vor Unterzeichnung des Mietvertrages kann es kein Vertrauen in den Mietvertragsabschluss geben.“

2. Kein Vertragsentwurf = Kein berechtigtes Vertrauen

Entscheidend war, dass die Mieter niemals einen Mietvertragsentwurf erhalten hatten. Ohne konkreten Vertrag konnten sie die vertraglichen Verpflichtungen nicht prüfen. Das Gericht stellte klar: „Ohne konkreten Mietvertrag war es den Beklagten gar nicht möglich, die vertraglichen Verpflichtungen zu prüfen.“

3. Triftiger Grund für Vertragsabbruch

Selbst bei berechtigtem Vertrauen läge hier ein triftiger Grund vor: Dass ein Paar im gemeinsamen Urlaub merkt, nicht zusammenzupassen, ist ein „ohne weiteres jedem einleuchtender Grund“ für den Vertragsabbruch.

Praktische Konsequenzen für Vermieter

Risiko trägt der Vermieter

Das Urteil macht deutlich: Das Risiko des Mietausfalls trägt bis zum wirksamen Abschluss grundsätzlich der Vermieter. Aufwendungen während laufender Verhandlungen sind regelmäßig das eigene Risiko.

Vorsicht bei vorzeitigen Absagen

Vermieter sollten anderen Interessenten erst absagen, wenn der Mietvertrag tatsächlich
unterschrieben ist. Das Gericht kritisierte, dass der Makler bereits alle anderen Interessenten
abgesagt hatte, bevor ein Vertragsabschluss „in trockenen Tüchern“ war

Schadensminderungspflicht beachten

In München hätte die Wohnung laut Gericht „binnen weniger Tage“ vermietet werden können. Vermieter müssen ihrer Schadensminderungspflicht nachkommen und dürfen nicht untätig bleiben.

Wann ist Schadensersatz dennoch möglich?

Das Urteil bedeutet nicht, dass Schadensersatz bei Vertragsabbruch generell ausgeschlossen ist. Möglich bleibt er bei:

  • Grundlosem Abbruch nach bereits erfolgter Einigung über alle Vertragspunkte
  • Schuldhafter Verhinderung der Vertragswirksamkeit
  • Verschweigen bekannter Hindernisse für den Vertragsschluss
  • Vertragsabbruch aus sachfremden Motiven

Empfehlungen für die Praxis

Für Vermieter

  • Andere Interessenten erst nach Vertragsunterzeichnung absagen
  • Bei mündlichen Zusagen keine vorzeitigen Aufwendungen tätigen
  • Schnelle Neuvermietung bei Vertragsabbruch anstreben
  • Realistische Erwartungen an Schadensersatzansprüche haben

Für Mieter

  • Recht auf Vertragseinsicht vor Unterschrift
  • Bedenken rechtzeitig äußern
  • Grundsätzlich keine Haftung bei berechtigten Abbruchgründen

Fazit: Schutz der Vertragsfreiheit

Das Urteil stärkt die negative Privatautonomie und schützt davor, dass faktische Marktmacht zu
einem mittelbaren Kontrahierungszwang führt. Auch in angespannten Mietmärkten wie München
haben Mieter das Recht, bis zur Vertragsunterzeichnung ohne Haftungsrisiko vom Vertrag
zurückzutreten – solange triftige Gründe vorliegen.


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