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Kündigung bei unpünktlichen Mietzahlungen: Wann Vermieter das Nachsehen haben

LG Berlin – Urteil vom 09.12.2021 (Az. 67 S 158/21)

Das Wichtigste in Kürze

LG Berlin stärkt Mieterrechte bei langjährig geduldeten Zahlungsverspätungen

  • Vermieter können nicht ohne Weiteres kündigen, wenn sie jahrelang verspätete Mietzahlungen geduldet haben.
  • Eine Abmahnung beseitigt nicht automatisch alle Rechtsfolgen der vorherigen stillschweigenden Duldung.
  • Kurzzeitige unpünktliche Zahlungen nach jahrelanger Duldung rechtfertigen keine außerordentliche Kündigung.

Der Fall: 5 Jahre Duldung, dann plötzlich Kündigung

Das Landgericht Berlin hatte über einen typischen Mietrechtsfall zu entscheiden: Ein Vermieter wollte seinen Mieter wegen unpünktlicher Mietzahlungen kündigen obwohl diese seit Beginn des Mietverhältnisses im Jahr 2015 regelmäßig verspätet erfolgten und widerspruchslos hingenommen wurden.

Die Chronologie der Ereignisse

  • 2015-2020: Kontinuierlich verspätete Mietzahlungen ohne Widerspruch des Vermieters
  • Juli 2020: Erstmalige Abmahnung durch den neuen Vermieter
  • August-Oktober 2020: Erneut dreimalige verspätete Zahlungen
  • Folge: Außerordentliche und ordentliche Kündigung

Die Rechtslage: Stillschweigende Billigung schützt Mieter

Vertrauensschutz im Mietrecht

Das Gericht stellte klar: Wer als Vermieter über Jahre hinweg verspätete Mietzahlungen widerspruchslos hinnimmt, schafft einen Vertrauenstatbestand. Der Mieter darf darauf vertrauen, dass der Vermieter in der bisherigen Zahlungsweise keine wesentliche Vertragsbeeinträchtigung sieht.

Grenzen der Abmahnung

Eine einmalige Abmahnung kann die Rechtsfolgen jahrelanger Duldung nicht vollständig beseitigen. Das Gericht betonte:

„Bei folgerichtiger und ausschließlicher Betrachtung des Verhaltens nach der Abmahnung fehlt es an der fortdauernden Unpünktlichkeit über einen nicht nur kurzen Zeitraum.“

Praktische Konsequenzen für Vermieter

Was Vermieter beachten sollten

  1. Sofortige Reaktion: Verspätete Mietzahlungen sollten unverzüglich abgemahnt werden.
  2. Kontinuierliche Verfolgung: Keine stillschweigende Duldung über längere Zeiträume.
  3. Dokumentation: Alle Abmahnungen und Zahlungseingänge genau dokumentieren.

Kündigungsvoraussetzungen

Für eine wirksame außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Erhebliche Pflichtverletzung des Mieters
  • Nachhaltige Erschütterung des Vertrauens in vertragsgemäßes Verhalten
  • Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses

Konsequenzen für Vermieter

  • Wohngebäudeversicherung schützt nicht vor Mietminderungsansprüchen
  • Genaue Prüfung des Verschuldensgrades ist erforderlich
  • Dokumentation von Schadensfällen wird noch wichtiger

Auswirkungen auf die Rechtspraxis

Stärkung der Mieterposition

Das Urteil stärkt die Position von Mietern erheblich. Vermieter müssen künftig genau abwägen, ob sie unpünktliche Zahlungen dulden oder sofort dagegen vorgehen möchten.

Einzelfallentscheidung bleibt maßgeblich

Das Gericht betonte, dass die Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung stets eine Einzelfallentscheidung bleibt. Faktoren wie:

  • Dauer der Duldung
  • Regelmäßigkeit der Verspätungen
  • Verhalten nach der Abmahnung
  • Gesamtumstände des Mietverhältnisses

fließen in die Bewertung ein.

Rechtliche Einordnung und weitere Entwicklung

BGH bestätigt Linie

Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen (BGH v. 31.05.2022, Az. VIII ZR 2/22), was die Rechtsprechungslinie bestätigt.

Anknüpfung an etablierte Rechtsprechung

Das Urteil steht im Einklang mit der ständigen BGH-Rechtsprechung zu Vertrauensschutz im
Mietrecht und konkretisiert die Anforderungen an wirksame Kündigungen bei Zahlungsverzug.

Fazit: Klare Linie von Anfang an

Vermieter sollten von Beginn des Mietverhältnisses an eine klare Linie bei Zahlungsverzug verfolgen. Wer Jahre lang unpünktliche Zahlungen duldet, kann nicht plötzlich mit einer Kündigung reagieren, wenn sich das Zahlungsverhalten nach einer Abmahnung nur kurzfristig wiederholt.

Rechtliche Beratung erforderlich? Bei Fragen rund um Mietrecht, Kündigungen oder Räumungsklagen stehen Ihnen die Rechtsanwälte der Kanzlei Leipzig mit ihrer Expertise zur Verfügung.


Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei
konkreten rechtlichen Problemen wenden Sie sich bitte an einen spezialisierten Rechtsanwalt.

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