Mieterhöhung abgelehnt: Landgericht München stärkt Mieterrechte bei strittigen Zuschlägen
LG München – Beschluss vom 17.07.2024 (Az.: 14 S 3692/24)
Das Wichtigste in Kürze
Das Landgericht München I hat in einem wegweisenden Beschluss wichtige Grenzen für Mieterhöhungen aufgezeigt und dabei sowohl die Voraussetzungen für „offene Küche“-Zuschläge als auch für sogenannte Stichtagszuschläge präzisiert.
Der Fall: Gescheiterte Mieterhöhung in München
Ein Vermieter wollte die Miete seiner Münchner Wohnung über das bereits vereinbarte Maß hinaus erhöhen. Dabei berief er sich auf zwei Argumente:
- Zuschlag für „offene Küche“ (+0,51 €/m²)
- Stichtagszuschlag aufgrund gestiegener Verbraucherpreise (+1,64 €/m²)
Das Gericht wies beide Forderungen zurück und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts München.
Wann liegt eine „offene Küche“ vor?
Rechtliche Abgrenzung klar definiert
Das Landgericht stellte unmissverständlich fest: Eine fehlende Küchentür macht noch keine offene Küche. Die Richter betonten, dass eine baulich nach allen Seiten abgegrenzte Küche auch dann ein separater Raum bleibt, wenn lediglich die Tür entfernt wurde. Entscheidend sind:
- Funktionale Verbindung zwischen Koch-, Ess- und Wohnbereich
- Räumliche Integration in den Wohnraum
- Kommunikative Elemente zwischen den Bereichen
Praktische Auswirkungen für Mieter
Mieter sollten bei Mieterhöhungsverlagen genau prüfen, ob die baulichen Gegebenheiten tatsächlich den Zuschlag rechtfertigen. Eine optisch und räumlich abgegrenzte Küche ohne Tür erfüllt nicht die Voraussetzungen einer „offenen Küche“
Stichtagszuschläge: Hohe Hürden für Vermieter
Verbraucherpreisindex reicht nicht aus
Besonders bedeutsam ist die Entscheidung zum Stichtagszuschlag. Der Vermieter argumentierte mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex (VPI) von 105,2 auf 116,8 Punkte zwischen Januar 2022 und Juni 2023 – ein Plus von 11,02%.
Das Gericht lehnte ab mit folgender Begründung:
- Der VPI misst die allgemeine Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen
- Er umfasst einen „Warenkorb“ mit rund 700 Güterarten
- Für spezifische Mietentwicklungen ist er nicht aussagekräftig
Alternative: Index für Nettokaltmieten
Das Erstgericht hatte stattdessen den Index für Nettokaltmieten herangezogen, der im relevanten Zeitraum nur um etwa 3% anstieg – kein außergewöhnlicher Mietanstieg.
Voraussetzungen für Stichtagszuschläge
BGH-Rechtsprechung bestätigt
Das Landgericht bezog sich auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 15.03.2017 (VIII ZR 295/15). Danach sind Stichtagszuschläge nur zulässig bei:
- Ungewöhnlichen Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete
- Verlässlichen Kriterien zur Messung der Mietentwicklung
- Sachgerechter Einzelfallbetrachtung
Fehlende Datengrundlage als Hindernis
Im Münchner Fall fehlte eine belastbare Datengrundlage, da der neue Mietspiegel 2025 noch nicht vorlag. Das Gericht betonte: Eine vorübergehend hohe Inflation allein rechtfertigt keinen Stichtagszuschlag.
Rechtspolitische Erwägungen
Befriedungsfunktion des Mietspiegels
Das Gericht warnte vor einer „Stichtagspraxis“, die zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen könnte. Mietspiegel haben eine wichtige Befriedungsfunktion, besonders in angespannten Mietmärkten wie München.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1992 entschieden, dass der Gesetzgeber bewusst 2Jahres-Aktualisierungsintervalle für Mietspiegel vorsieht und dabei Verzögerungen in Kauf nimmt.
Praktische Tipps für Mieter und Vermieter
Bei Mieterhöhungsverlagen prüfen
- Bauliche Gegebenheiten bei behaupteten Ausstattungsmerkmalen
- Datengrundlage für Stichtagszuschläge hinterfragen
- Fachliche Beratung bei komplexen Fällen suchen
- Fristen beachten für Widerspruch gegen Mieterhöhungen
Vermieter sollten beachten
- Sorgfältige Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen
- Belastbare Datengrundlagen für Zuschläge erforderlich
- Einzelfallbetrachtung statt pauschaler Indexanwendung
Fazit: Stärkung der Mieterrechte
Das Landgericht München hat mit dieser Entscheidung wichtige Leitplanken für Mieterhöhungen gesetzt. Vermieter können nicht pauschal auf allgemeine Preissteigerungen verweisen, sondern müssen spezifische Nachweise für die örtliche Mietentwicklung erbringen.
Für Mieter bedeutet dies: Mieterhöhungsverlagen sollten kritisch geprüft werden. Nicht jede Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
Bei Fragen zu Mieterhöhungen oder anderen mietrechtlichen Angelegenheiten stehen Ihnen die Experten der Kanzlei Leipzig gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.
Schlagwörter: Mieterhöhung, Stichtagszuschlag, Landgericht München, Mietspiegel, Verbraucherpreisindex, offene Küche, Mietrecht, BGH-Rechtsprechung