Mieterhöhung trotz Lärmbelastung: Wann gilt ein Wohnumfeld als aufwendig gestaltet?
AG Schöneberg- Urteil vom 11. April 2024 (Az.: 105 C 226/23)
Das Wichtigste in Kürze
Das Amtsgericht Schöneberg hat wichtige Maßstäbe für Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel festgelegt. Besonders relevant sind die Ausführungen zu aufwendig gestalteten Wohnumfeldern und zur Bewertung von Lärmbelastung bei der Mietpreisbestimmung.
Der Fall: Mieterhöhung in Berlin-Schöneberg
Eine Vermieterin forderte von ihrer Mieterin die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete für eine 94,21 m² große Wohnung von 804,55 EUR auf 893,10 EUR monatlich. Die 1968 bezugsfertige Wohnung befand sich in einem Haus mit 12 Mietparteien in einer laut Berliner Mietspiegel besonders lärmbelasteten Lage.
Das Besondere an diesem Fall: Das Grundstück verfügte über einen gepflegten Garten mit Rasenflächen, Pflanzenbeeten, befestigten Gehwegen, Beleuchtung und einem ausgestatteten Gartenhaus. Die jährlichen Gartenpflegekosten beliefen sich auf über 3.000 EUR.
Gerichtsentscheidung: Teilweise erfolgreiche Mieterhöhung
Das Gericht gab der Klage nur teilweise statt und sprach der Vermieterin eine Mieterhöhung von 76,31 EUR zu – deutlich weniger als die ursprünglich geforderten 88,55 EUR. Die neue Nettokaltmiete beträgt somit 880,86 EUR monatlich.
Rechtliche Bewertung der Merkmalgruppen
Lärmbelastung als wohnwertminderndes Merkmal
Das Gericht bestätigte die besonders lärmbelastete Lage der Wohnung. Entscheidend war dabei ein wichtiger Grundsatz: Die Lärmbelastung einer Küche führt dazu, dass die gesamte Wohnung als besonders lärmbelastet einzustufen ist, da die Küche regelmäßig ein Hauptaufenthaltsort in der Wohnung darstellt.
Dabei war unerheblich, ob zusätzlich zur Küche auch andere Räume wie Bad oder Schlafzimmer zur lauten Straße ausgerichtet waren.
Ausreichendes Parkplatzangebot
Positiv bewertete das Gericht das Parkplatzangebot der Vermieterin: Bei 12 Mietparteien standen 15
Stellplätze (9 Garagen, 2 Carports, 4 offene Stellplätze) zur Verfügung. Dies gilt als ausreichend
dimensioniert, wenn allen interessierten Mietern mindestens ein Stellplatz pro Wohneinheit
angeboten werden kann.
Anforderungen an ein aufwendig gestaltetes Wohnumfeld
Der rechtlich besonders interessante Teil des Urteils betrifft die Definition eines „aufwendig gestalteten Wohnumfelds“. Das Gericht stellte strenge Maßstäbe auf.
Was nicht ausreicht
- Reine Kosten- und Arbeitsaufwände (hier: über 3.000 EUR jährlich für Gartenpflege)
- Ansprechend gestaltete Rasenflächen und Pflanzenbeete
- Grundlegende Strukturen wie befestigte Wege oder bepflanzte Bereiche
- Ein einfaches, ausgestattetes Gartenhaus
Was erforderlich ist
Ein Wohnumfeld ist nur dann aufwendig gestaltet, wenn eine über das übliche Maß hinausgehende Gestaltung vorhanden ist. Hierfür ist ein besonderer gärtnerischer und/oderarchitektonischer Aufwand notwendig, der signifikant über grundlegende Strukturen hinausgeht. Das Gericht betonte: „Es kommt nur darauf an, dass die Gestaltung selbst (z.B. architektonisch oder gärtnerisch) besonders aufwändig ist“ – nicht die damit verbundenen Kosten.
Praktische Auswirkungen für Vermieter und Mieter
Für Vermieter:
- Hohe Gartenpflegekosten allein rechtfertigen keine Aufwertung des Wohnumfelds.
- Bei der Mietspiegeleinordnung sind objektive architektonische oder gärtnerische Besonderheiten erforderlich.
- Die ordnungsgemäße Bereitstellung von Parkplätzen kann wohnwerterhöhend wirken.
Für Mieter
- Lärmbelastung der Küche wirkt sich auf die gesamte Wohnung aus.
- Nicht jeder gepflegte Garten bedeutet automatisch ein „aufwendig gestaltetes Wohnumfeld“.
- Bei Mieterhöhungsverfahren sollten alle wohnwertmindernden Faktoren geltend gemacht werden.
Einordnung in den Berliner Mietspiegel 2023
Die Wohnung wurde in das Mietspiegelfach L4 eingeordnet mit einer Spanne von 8,03 EUR bis 9,48 EUR pro m². Das Gericht setzte die ortsübliche Vergleichsmiete bei 80% über dem Mittelwert an, was einem Quadratmeterpreis von etwa 9,22 EUR entspricht.
Fazit für die Praxis
Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel eine differenzierte Betrachtung aller wohnwertbeeinflussenden Faktoren erforderlich ist. Vermieter sollten sich nichtallein auf hohe Instandhaltungskosten berufen, sondern objektive Gestaltungsmerkmale nachweisen können. Mieter hingegen sollten wohnwertmindernde Faktoren wie Lärmbelastung konsequent geltend machen.
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