Mietminderung trotz selbst verursachtem Brandschaden: Neues Urteil stärkt Mieterrechte
LG Würzburg – Urteil vom 27.03.2023 (Az. 44 S 119/23)
Das Wichtigste in Kürze
LG Würzburg entscheidet zugunsten des Mieters bei leicht fahrlässig verursachtem Küchenbrand
Das Landgericht Würzburg hat entschieden, dass Mieter auch dann zur Mietminderung berechtigt sind, wenn sie einen Schaden selbst leicht fahrlässig verursacht haben – vorausgesetzt, der Schaden ist durch die Versicherung des Vermieters gedeckt.
Der Fall: Küchenbrand durch vergessene Herdplatte
Ein junger Mieter hatte nachts nach dem Pommes-Essen einen Topf mit heißem Fett zum Abkühlen auf die Herdplatte zurückgestellt, ohne zu bemerken, dass diese noch eingeschaltet war. Mit 1,2 Promille Alkohol im Blut und aufgrund von Müdigkeit übersah er den noch leuchtenden Schalter. Nach etwa 20-30 Minuten entstand ein Brand, der erhebliche Schäden an der Mietwohnung verursachte.
Die Rechtslage: Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor?
Entscheidende Faktoren für die Bewertung
Das Gericht bewertete das Verhalten des Mieters nicht als grob fahrlässig und berücksichtigte dabei:
- Subjektive Umstände: Unerfahrenheit des jungen Mannes im Haushalt.
- Situative Faktoren: Nächtliche Uhrzeit mit entsprechender Müdigkeit.
- Beeinträchtigung: Alkoholbedingte Verminderung der Aufmerksamkeit (1,2 Promille).
- Unabsichtlichkeit: Der Mieter ging davon aus, die Herdplatte ausgeschaltet zu haben.
Abgrenzung: Einfache vs. grobe Fahrlässigkeit
Einfache Fahrlässigkeit liegt vor bei:
- Augenblicksversagen
- Unbeabsichtigtem Fehlverhalten
- Berücksichtigung persönlicher Umstände
Grobe Fahrlässigkeit würde vorliegen bei:
- Bewusstem Ignorieren von Gefahren
- Erheblichem Verstoß gegen Sorgfaltspflichten
- Unentschuldbarem Fehlverhalten
Die Rechtsfolgen: Mietminderung trotz Verschulden
Versicherungsschutz als entscheidender Faktor
Da der Brandschaden durch die Wohngebäudeversicherung des Vermieters gedeckt war, durfte der Mieter für den gesamten Zeitraum der Unbewohnbarkeit (11.07.2021-31.07.2021) die Miete um 100% mindern.
Wichtige Rechtsgrundsätze
- Bei Versicherungsschutz: Mietminderung auch bei einfacher Fahrlässigkeit des Mieters möglich.
- Ohne Versicherungsschutz: Keine Mietminderung bei selbst verschuldeten Schäden.
- Bei grober Fahrlässigkeit: Grundsätzlich keine Mietminderung, unabhängig vom Versicherungsschutz.
Praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter
Bedeutung des Urteils für Mieter
- Auch bei selbst verursachten Schäden können Mietminderungsrechte bestehen
- Entscheidend ist der Grad des Verschuldens (einfache vs. grobe Fahrlässigkeit)
- Persönliche Umstände werden bei der Bewertung berücksichtigt
- Versicherungsschutz des Vermieters spielt eine wichtige Rolle
Konsequenzen für Vermieter
- Wohngebäudeversicherung schützt nicht vor Mietminderungsansprüchen
- Genaue Prüfung des Verschuldensgrades ist erforderlich
- Dokumentation von Schadensfällen wird noch wichtiger
Unser Fazit: Differenzierte Einzelfallprüfung erforderlich
Dieses Urteil zeigt, dass die Bewertung von Verschuldensgraden im Mietrecht sehr komplex ist. Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten bei Schadensfällen schnell rechtlichen Rat einholen, um ihre Rechte und Pflichten korrekt einzuschätzen.
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Rechtsgebiete: Mietrecht | Schadensrecht | Versicherungsrecht Aktenzeichen: LG Würzburg, Az. 44 S 119/23 vom 27.03.2023
Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Rechtsfragen wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt.
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