Mietvertrag und Täuschung: Wann liegt arglistige Täuschung bei der Wohnungsbesichtigung vor?
LG Lübeck – Urteil vom 07.07.2022 (Az. 14 S 23/21)
Das Wichtigste in Kürze
Das Landgericht Lübeck hat entschieden, wann eine arglistige Täuschung bei der Wohnungsanmietung vorliegt und welche Pflichten Vermieter gegenüber potentiellen Mietern haben. Der Fall zeigt deutlich: Mieter müssen ihre Sorgfaltspflicht bei der Wohnungsbesichtigung ernst nehmen.
Der Sachverhalt: Streit um möblierte Wohnung
Eine Vermieterin inserierte ihre möblierte Eigentumswohnung mit Fotos im Internet. Die Mieterin unterschrieb den Mietvertrag über 900 Euro monatlich, nachdem sie zwei Besichtigungstermine wahrgenommen hatte. Kurz nach Mietbeginn erklärte sie den Rücktritt und die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung – der Grund: Die Wohnung und insbesondere eine Couch seien in schlechterem Zustand als im Inserat dargestellt.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine arglistige Täuschung
Das Landgericht Lübeck gab der Vermieterin Recht und verurteilte die Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Miete von 9.000 Euro. Die wichtigsten Erkenntnisse:
1. Keine Aufklärungspflicht über ungünstige Eigenschaften
Vermieter müssen ungünstige Eigenschaften der Wohnung grundsätzlich nicht ungefragt offenlegen. Eine Aufklärungspflicht besteht nur nach Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der andere Teil redlicherweise Aufklärung erwarten durfte.
2. Eigenverantwortung bei der Wohnungsbesichtigung
Das Gericht stellte klar: Wer die Gelegenheit zur gründlichen Wohnungsbesichtigung hat, aber nicht nutzt, trägt das Risiko selbst. Die Mieterin hatte zwei Besichtigungstermine, versäumte es aber, die Wohnung genauer zu prüfen.
3. Inserate müssen nicht perfekt sein
Werbeanzeigen mit Fotos stellen keine arglistige Täuschung dar, wenn sie die Wohnung im Wesentlichen korrekt zeigen. Dass Räume durch die Art der Aufnahme gepflegter wirken, ist normal und für jeden erkennbar.
4. Dekoration ist erlaubt
Selbst die Dekoration einer beschädigten Couch mit Kissen und Decken stellt keine Täuschung dar, solange Interessenten die Möglichkeit zur gründlichen Besichtigung haben.
Rechtliche Grundlagen und Konsequenzen
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)
Für eine erfolgreiche Anfechtung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Aktive Täuschungshandlung oder pflichtwidriges Verschweigen
- Vorsatz des Täuschenden
- Kausalität zwischen Täuschung und Vertragsschluss
Mietminderung nach § 536 BGB
Das Gericht prüfte auch eine mögliche Mietminderung wegen Wohnungsmängeln. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 536b BGB), nicht der Übergabe. Bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Mängel besteht kein Minderungsrecht.
Praktische Tipps für Mieter und Vermieter
Für Mieter
- Nutzen Sie Besichtigungstermine gründlich aus.
- Prüfen Sie alle Räume und Einrichtungsgegenstände genau.
- Stellen Sie konkrete Fragen bei Unklarheiten.
- Dokumentieren Sie erkannte Mängel vor Vertragsschluss.
Für Vermieter:
- Ehrliche, aber nicht übertrieben detaillierte Inserate sind ausreichend.
- Gewähren Sie ausreichend Zeit für Besichtigungen.
- Eine professionelle Fotografie ist erlaubt und üblich.
- Beantworten Sie konkrete Fragen der Interessenten wahrheitsgemäß.
Fazit: Sorgfaltspflicht liegt beim Mieter
Das Urteil des LG Lübeck stärkt die Eigenverantwortung der Mieter bei der Wohnungssuche. Vermieter müssen nicht jede ungünstige Eigenschaft ihrer Immobilie ungefragt offenlegen. Mieter sollten Besichtigungstermine ernst nehmen und die Wohnung gründlich prüfen.
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