Pflegepersonen und Rentenversicherung: Wann besteht keine Versicherungspflicht trotz häuslicher Pflege?
LSG Baden Württemberg – Urteil vom 30.04.2025 (Az. L 5 R 3093/24)
Das Wichtigste in Kürze
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 30.04.2025 (Az. L 5 R 3093/24) eine wichtige Entscheidung zur Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen getroffen. Die Entscheidung betrifft alle, die Angehörige pflegen und gleichzeitig Krankengeld beziehen.
Der entscheidende Fall
Ein 1962 geborener Mann pflegte seinen pflegebedürftigen Sohn (Pflegegrad 2) täglich 28 Stunden pro Woche in seinem Haushalt. Gleichzeitig bezog er aufgrund einer eigenen Erkrankung Krankengeld, das auf einem Arbeitsverhältnis mit mehr als 30 Wochenstunden basierte. Die Rentenversicherung verneinte eine Versicherungspflicht als Pflegeperson – zu Recht, wie das Gericht nun bestätigte.
Die Rechtslage: § 3 SGB VI im Detail
Grundsätzliche Versicherungspflicht für Pflegepersonen
Nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI sind Personen versicherungspflichtig, die:
- Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2
- Mindestens 10 Stunden wöchentlich
- Verteilt auf mindestens 2 Tage
- In häuslicher Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen
Die wichtige Ausnahme: § 3 Satz 3 SGB VI
Keine Versicherungspflicht besteht jedoch, wenn die Pflegeperson daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbstständig tätig ist.
Krankengeld und Pflegezeiten: Die Kernentscheidung
Das LSG Baden-Württemberg stellte klar: Krankengeldbezieher, deren Leistung auf einem Arbeitsverhältnis mit mehr als 30 Wochenstunden basiert, sind von der Versicherungspflicht als Pflegeperson ausgeschlossen.
Begründung des Gerichts
- Zweck der Regelung: Die Versicherungspflicht soll Personen schützen, die wegen der Pflege ihre Berufstätigkeit aufgeben oder reduzieren müssen.
- Krankengeldbezieher sind bereits abgesichert: Sie sind nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI versicherungspflichtig und erhalten Beiträge auf 80% des zugrundeliegenden Arbeitsentgelts.
- Keine Benachteiligung durch Pflege: Krankengeldbezieher sind nicht wegen der Pflege, sondern wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit an der Erwerbstätigkeit gehindert.
Praktische Auswirkungen für Betroffene
Wer ist betroffen?
- Arbeitnehmer mit mehr als 30 Wochenstunden im Arbeitsvertrag
- Die aufgrund eigener Krankheit Krankengeld beziehen
- Und gleichzeitig Angehörige pflegen
Rechtsfolgen
- Keine doppelte Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
- Keine zusätzlichen Rentenversicherungszeiten für die Pflegetätigkeit
- Rentenversicherung läuft ausschließlich über das Krankengeld weiter
Revision zugelassen – Verfahren geht weiter
Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, da die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Eine endgültige höchstrichterliche Klärung steht noch aus.
Was bedeutet das für die Praxis?
Für Pflegepersonen
- Prüfung der eigenen Situation bei Krankengeldbezug
- Beratung zur optimalen sozialversicherungsrechtlichen Absicherung
- Ggf. Widerspruch bei abweichenden Bescheiden der Rentenversicherung
Für Arbeitgeber
- Information der Mitarbeiter über die Rechtslage
- Korrekte Meldungen bei Krankengeld und Pflegezeiten
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg bringt Rechtssicherheit für einen wichtigen Bereich der Pflegeversicherung. Gleichzeitig zeigt sie die Grenzen der sozialen Absicherung von Pflegepersonen auf.
Betroffene sollten ihre individuelle Situation prüfen lassen, da die Rechtslage komplex ist und weitere Änderungen durch das Bundessozialgericht möglich sind.
Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Fragen zur Rentenversicherungspflicht als Pflegeperson sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen.
Haben Sie Fragen zur Rentenversicherungspflicht bei Pflegetätigkeit? Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.