Urlaubsabgeltung: Wann verjähren Urlaubsansprüche? BAG stärkt Arbeitnehmerrechte
BGH – Urteil vom 20. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 266/20)
Das Wichtigste in Kürze
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20. Dezember 2022 die Rechte von Arbeitnehmern bei der Urlaubsabgeltung erheblich gestärkt. Die Entscheidung betrifft die Verjährung von Urlaubsansprüchen und hat weitreichende Folgen für die Praxis.
Grundsätze:
- Urlaubsansprüche verjähren grundsätzlich nach 3 Jahren (§ 195 BGB).
- Verjährungsbeginn verschiebt sich, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.
- Arbeitgeber müssen aktiv über Urlaubsansprüche informieren und zur Urlaubsnahme auffordern.
- Verfallene Urlaubsansprüche können bei Pflichtverletzung des Arbeitgebers wieder aufleben.
Der Fall: 76 Urlaubstage nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit
Eine Steuerfachangestellte war von 1996 bis 2017 bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses standen ihr laut Arbeitgeberbescheinigung 76 Urlaubstage zu. Der Arbeitgeber zahlte jedoch nur 14 Tage ab und berief sich auf Verfall und Verjährung der restlichen Ansprüche.
Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers
Das BAG stellte klar: Arbeitgeber haben umfassende Mitwirkungspflichten bei der Urlaubsgewährung. Sie müssen:
- Konkret und transparent über bestehende Urlaubsansprüche informieren
- Förmlich zur Urlaubsnahme auffordern
- Rechtzeitig auf Verfallsfristen hinweisen
- Klarstellen, dass Urlaub bei Nichtnahme verfällt
Neue Verjährungsregeln nach EU-Recht
Verjährungsbeginn verschiebt sich
Die Verjährung von Urlaubsansprüchen beginnt nicht automatisch mit Ende des Urlaubsjahres. Zusätzlich zu den üblichen Voraussetzungen (§ 199 Abs. 1 BGB) muss der Arbeitgeber:
- Den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzen, seinen Urlaub zu nehmen
- Seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommen
EU-rechtliche Grundlagen
Das BAG folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22. September 2022 (C-120/21). Danach verstößt es gegen EU-Recht, wenn Urlaubsansprüche verjähren, obwohl der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten vernachlässigt hat.
Praktische Konsequenzen für Arbeitnehmer
Urlaubsansprüche prüfen lassen
Arbeitnehmer sollten regelmäßig ihre Urlaubsansprüche überprüfen. Besonders relevant ist dies bei:
- Längerer Betriebszugehörigkeit
- Unklaren Urlaubsregelungen
- Fehlenden Aufforderungen zur Urlaubsnahme
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ansprüche durchsetzen
Bei nicht abgegoltenen Urlaubsansprüchen haben Arbeitnehmer oft bessere Chancen als bisher angenommen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt möglicherweise später zu laufen.
Auswirkungen für Arbeitgeber
Pflichten im laufenden Arbeitsverhältnis
Arbeitgeber müssen proaktiv handeln und:
- Jährlich über Urlaubsansprüche informieren
- Zur Urlaubsnahme auffordern
- Verfallsfristen rechtzeitig mitteilen
- Urlaubskonten transparent führen
Haftungsrisiken minimieren
Ohne ordnungsgemäße Erfüllung der Mitwirkungspflichten drohen:
- Hohe Abgeltungsansprüche bei Beendigung
- Verjährungsschutz für Arbeitnehmer
- Rechtsunsicherheit bei Urlaubsplanung
Besonderheiten bei Mehrurlaub
Das Urteil betrifft nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub (24 Werktage), sondern auch vertraglichen Mehrurlaub. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, gelten dieselben Grundsätze.
Rechtliche Beratung empfohlen
Für Arbeitnehmer
- Urlaubsansprüche prüfen lassen vor Kündigung oder Aufhebungsvertrag
- Abgeltungsansprüche durchsetzen auch bei älteren Ansprüchen
- Fristen beachten bei der Geltendmachung
Für Arbeitgeber
- Urlaubsmanagement überprüfen und anpassen
- Mitwirkungspflichten systematisch erfüllen
- Rechtssichere Prozesse etablieren
Fazit: Stärkung der Arbeitnehmerrechte
Das BAG-Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern erheblich. Die Verjährung von Urlaubsansprüchen wird faktisch ausgehebelt, wenn Arbeitgeber ihre Mitwirkungspflichten vernachlässigen.
Wichtig: Jeder Fall ist individuell zu bewerten. Bei Fragen zu Urlaubsansprüchen, Abgeltung oder Verjährung sollten Sie frühzeitig rechtlichen Rat einholen.
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Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Stand: Juli 2025