BAG-Urteil: Vollständige Urlaubsabgeltung trotz Elternzeit – Ein Durchbruch für Arbeitnehmerrechte
Bundesarbeitsgericht stärkt Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nach Mutterschutz und Elternzeit
Das Wichtigste in Kürze
- Urlaubsansprüche entstehen vollständig während Mutterschutz und Elternzeit
- Keine nachträgliche Kürzung des Urlaubs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich
- Vollständige Abgeltung auch bei längerer Abwesenheit wegen Kinderbetreuung
- Keine Verjährung während Mutterschutz und Elternzeit
Der Fall: Fünf Jahre Mutterschutz und Elternzeit
Die Klägerin war als Therapeutin angestellt und befand sich von August 2015 bis November 2020 nahtlos in Mutterschutz und Elternzeit für zwei Kinder. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte sie die Abgeltung von 146 Urlaubstagen aus den Jahren 2015-2020 – mit Erfolg.
Die Rechtslage: Was Arbeitnehmer wissen müssen
Urlaubsentstehung während Mutterschutz und Elternzeit
Das BAG stellte klar:
Während des Mutterschutzes entstehen Urlaubsansprüche nach § 24 MuSchG vollständig. Die Ausfallzeiten gelten als Beschäftigungszeiten.
Während der Elternzeit entstehen Urlaubsansprüche zunächst ebenfalls vollständig. Der Arbeitgeber kann diese jedoch nach § 17 Abs. 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 kürzen – aber nur im bestehenden Arbeitsverhältnis.
Kürzungsrecht des Arbeitgebers
Entscheidend ist der Zeitpunkt der Kürzungserklärung:
- Während des Arbeitsverhältnisses: Kürzung möglich
- Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Keine Kürzung mehr möglich
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine „Zäsur“ – aus dem Urlaubsanspruch wird ein reiner Geldanspruch auf Abgeltung.
Verjährung ausgeschlossen
Während Mutterschutz und Elternzeit können Urlaubsansprüche nicht verjähren, da:
Berechnungsgrundlage: Durchschnittlicher Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Besonderheit bei Elternzeit: Die elternzeitbedingte Arbeitsversäumnis gilt als „unverschuldet“ im
Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Daher ist der gewöhnliche Arbeitsverdienst zugrunde zu legen
nicht null Euro.
Praktisches Beispiel aus dem Urteil:
- Bruttomonatsgehalt: 3.700 Euro
- Urlaubstag: 170,77 Euro brutto
- 146 Urlaubstage = 24.932,42 Euro brutto
Praktische Auswirkungen für Arbeitgeber
Sofortiger Handlungsbedarf
Arbeitgeber sollten ihre Praxis überprüfen:
- Kürzungserklärungen rechtzeitig abgeben – spätestens vor Beendigung des
Arbeitsverhältnisses - Urlaubskonten während Elternzeit dokumentieren
- Abgeltungsberechnungen entsprechend anpassen
Kostenfaktor beachten
Bei längeren Elternzeiten können erhebliche Abgeltungsansprüche entstehen. Eine frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht ist empfehlenswert.
Was Arbeitnehmer jetzt tun sollten
Ansprüche prüfen lassen
Wer nach Mutterschutz oder Elternzeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, sollte seine Urlaubsansprüche prüfen lassen. Möglicherweise bestehen noch Abgeltungsansprüche.
Dokumentation sicherstellen
Wichtige Unterlagen sammeln:
- Arbeitsverträge mit Urlaubsregelungen
- Bescheinigungen über Mutterschutz und Elternzeit
- Gehaltsnachweise
- Korrespondenz mit dem Arbeitgeber
Rechtliche Beratung
Bei Unsicherheiten sollten Arbeitnehmer frühzeitig anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Die Durchsetzung von Urlaubsabgeltungsansprüchen erfordert oft arbeitsrechtliche Expertise.
Fazit: Stärkung der Arbeitnehmerrechte
Das BAG-Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern erheblich. Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Vollständige Urlaubsansprüche entstehen auch während längerer familienbedingter
- Auszeiten
- Nachträgliche Kürzungen sind nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen
- Angemessene Abgeltung auch bei längerer Abwesenheit
Für Arbeitgeber bedeutet dies: Präventive Maßnahmen und rechtzeitige Kürzungserklärungen sind essenziell, um finanzielle Überraschungen zu vermeiden.
Haben Sie Fragen zu Ihren Urlaubsansprüchen oder benötigen Sie Beratung zu arbeitsrechtlichen Themen?
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