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BGH-Urteil: Schimmelschäden durch falsches Lüften – Wann Vermieter erfolgreich kündigen können

BGH, Urteil vom 13.04.2016 – VIII ZR 39/15

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass Vermieter auch bei zahlungsunfähigen Mietern eine ordentliche Kündigung aussprechen können, wenn diese ihre Vertragspflichten in mehrfacher Hinsicht verletzen. Besonders relevant: Mieter, die trotzrechtskräftiger Verurteilung weiterhin unberechtigte Mängelanzeigen stellen und die Miete mindern, riskieren die Kündigung.

Der Sachverhalt: Schimmel durch falsches Lüften

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Berliner Mieter, der ab 2010 Schimmelbildung und Feuchtigkeitsschäden in seiner Wohnung anzeigte. Aufgrund dieser Mängel minderte er die Miete um 25%. Ein Gerichtsgutachten stellte jedoch fest, dass die Schäden auf falsches Lüften und Heizen des Mieters zurückzuführen waren.

Die rechtlichen Konsequenzen:

  • Das Amtsgericht Pankow/Weißensee verurteilte den Mieter 2013 rechtskräftig zu Schadensersatz in Höhe von 2.805,45 €
  • Der Mieter gab eine Vermögensauskunft ab – war also zahlungsunfähig
  • Trotz der rechtskräftigen Verurteilung stellte der Mieter weitere Mängelanzeigen und minderte erneut die Miete

Die Kündigung: Mehrere Pflichtverletzungen als Kündigungsgrund

Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis ordentlich gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB und begründete dies mit mehreren Aspekten:

  1. Nichtzahlung der titulierten Schadensersatzforderung
  2. Beharrliches Leugnen der eigenen Verantwortung trotz rechtskräftiger Verurteilung
  3. Fortsetzung des pflichtwidrigen Verhaltens (unzureichendes Lüften und Heizen)
  4. Unberechtigte Mängelanzeigen und Mietminderungen nach der Verurteilung

BGH-Entscheidung: Gesamtbetrachtung erforderlich

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies zurück. Die Karlsruher Richter kritisierten, dass das Berufungsgericht nur die Nichtzahlung der Forderung bewertet, aber die anderen Pflichtverletzungen ignoriert hatte.

Kernaussagen des BGH:

Zahlungsunfähigkeit entlastet bei ordentlicher Kündigung: Anders als bei der fristlosen Kündigung wegen Mietschulden kann sich der Mieter bei einer ordentlichen Kündigung nach § 573 BGB auf unverschuldete Zahlungsunfähigkeit berufen.

Gesamtbetrachtung ist entscheidend: Auch wenn einzelne Kündigungsgründe für sich genommen nicht ausreichen, können mehrere Pflichtverletzungen in ihrer Gesamtheit eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.

Unberechtigte Mängelanzeigen als Vertragsverletzung: Wenn ein Mieter trotz rechtskräftiger anderslautender Feststellungen weiterhin unberechtigte Mängelanzeigen stellt und die Miete mindert, liegt eine schwerwiegende Vertragsverletzung vor.

Praktische Bedeutung für Vermieter

Was Vermieter beachten sollten:

  1. Dokumentation ist entscheidend: Alle Pflichtverletzungen des Mieters müssen sorgfältig
    dokumentiert werden.
  2. Kündigungsschreiben umfassend begründen: Nicht nur einzelne Verstöße, sondern das
    Gesamtverhalten darstellen.
  3. Auch bei Zahlungsunfähigkeit möglich: Eine ordentliche Kündigung kann auch bei
    zahlungsunfähigen Mietern erfolgreich sein.
  4. Rechtliche Expertise erforderlich: Die Abgrenzung zwischen berechtigten und
    unberechtigten Mängelanzeigen erfordert juristische Bewertung.

Für Mieter wichtig:

  1. Rechtskräftige Urteile akzeptieren: Weiteres Bestreiten nach rechtskräftiger Verurteilung ist riskant.
  2. Sorgfaltspflichten beachten: Ordnungsgemäßes Lüften und Heizen ist Mieterpflicht.
  3. Mietminderungen gut überlegen: Unberechtigte Mietminderungen können zur Kündigung
    führen.

Fazit: Verhalten nach rechtskräftigem Urteil entscheidend

Das BGH-Urteil zeigt: Auch wenn Mieter aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht zahlen können, schützt sie das nicht vor einer Kündigung, wenn sie ihre Vertragspflichten in anderer Hinsicht verletzen. Besonders problematisch ist es, wenn Mieter trotz rechtskräftiger gerichtlicher Feststellungen ihr vertragswidriges Verhalten fortsetzen.

Vermieter sollten alle Pflichtverletzungen umfassend dokumentieren und in der Kündigungsbegründung darstellen. Eine isolierte Betrachtung einzelner Kündigungsgründe kann zum Scheitern der Kündigung führen.


Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei Fragen zu Mieterkündigungen wenden Sie sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt.

Schlagwörter: Mieterkündigung, Schimmelschäden, falsches Lüften, BGH-Urteil, ordentliche Kündigung, Mietminderung, Schadensersatz, Vermieterpflichten

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