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BGH-Urteil: Wann berechtigt Ferienwohnungsvermietung zur Mietminderung?

Bundesgerichtshof stärkt Mieterrechte bei störenden Kurzzeitvermietungen

Das Wichtigste in Kürze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem wegweisenden Urteil vom 29.02.2012 (Az. VIII ZR 155/11) entschieden: Vermieter, die Wohnungen als Ferienwohnungen an Touristen vermieten, können Dauermietern erhebliche Beeinträchtigungen zumuten – die zur Mietminderung berechtigen.

Der Fall: Wenn Touristen zu Störfaktoren werden

Ausgangssituation

  • Mieter wohnten seit 1999 in Berlin-Mitte (Bruttomiete: 1.059,20 €)
  • Vermieterin kaufte 2005 den Wohnkomplex
  • Geschäftsmodell: Freiwerdende Wohnungen nicht mehr an Langzeitmieter, sondern als
  • möblierte Appartements an Touristen
  • Mieter kündigten 2007 Mietminderung von 15% an, später 20%

Die konkreten Störungen

Die Mieter dokumentierten minutiös folgende erhebliche Beeinträchtigungen:

  • Nächtlicher Lärm: Täglich Partys und laute Heimkehr nach 22 Uhr
  • Fehlendes Management: Keine Rezeption vor Ort zur Kontrolle
  • Orientierungslose Touristen: Häufiges nächtliches Klingeln bei Nachbarn
  • Überbelegung: Aufbettungen führten zu verstärkten Störungen
  • Verschmutzung: Treppenhaus und Müllplätze dauerhaft verdreckt
  • Fahrstuhlblockaden durch Gepäck und Betten
  • Sonntagsarbeit: Störungen durch Putzkolonnen

Die BGH-Entscheidung: Klare Grenzen für Airbnb & Co.

Grundsatz: Nicht jede Ferienvermietung ist problematisch

Der BGH stellte klar: Die reine Vermietung an Feriengäste führt nicht automatisch zu
Mietminderungsansprüchen.
Entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung der Vermietung.

Wann liegt ein Mangel vor?

Sozialadäquate Störungen sind hinzunehmen:

  • Gelegentliche Streitigkeiten
  • Vereinzeltes Feiern
  • Normaler Wohnlärm (Laufen, Poltern, Kindergeräusche)
  • Typische Verschmutzungen

Mietminderung berechtigt bei:

  • Systematischen Störungen durch das Geschäftsmodell
  • Fehlender Kontrolle vor Ort
  • Täglichen Beeinträchtigungen zu Ruhezeiten
  • Erheblicher Verschmutzung über das normale Maß hinaus

Praktische Bedeutung für Mieter und Vermieter

Für Mieter: Ihre Rechte

  • Dokumentation ist entscheidend: Führen Sie detaillierte Protokolle
  • Konkrete Beschreibung genügt: Art der Störung, Tageszeit, Häufigkeit
  • Mietminderung tritt automatisch ein bei nachgewiesenem Mangel
  • Rechtliches Gehör: Gerichte müssen Ihren Vortrag ernst nehmen

Für Vermieter: Risiken minimieren

  • Professionelles Management einrichten
  • Hausordnung durchsetzen
  • Rezeption oder Ansprechpartner vor Ort
  • Kontrolle der Belegungsdichte
  • Regelmäßige Reinigung sicherstellen

Folgeentscheidungen und aktuelle Entwicklung

Dieses Grundsatzurteil hat die Rechtsprechung zu Kurzzeitvermietungen geprägt und ist heute bei Airbnb-Streitigkeiten von zentraler Bedeutung. Weitere relevante Entscheidungen folgten zu:

  • Wohnungseigentümergemeinschaften und Ferienvermietung
  • Gewerblicher Charakter von Kurzzeitvermietungen
  • Kündigungsrecht bei systematischen Störungen

Fazit: Balance zwischen Vermieterinteressen und Wohnruhe

Der BGH hat eine wichtige Interessenabwägung vorgenommen: Während Vermieter grundsätzlich frei über die Vermietungsart entscheiden können, dürfen sie anderen Mietern nicht unzumutbare Beeinträchtigungen aufbürden.

Entscheidend bleibt immer der Einzelfall – sowohl die konkrete Art der Vermietung als auch das Ausmaß der tatsächlichen Störungen.


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Weitere relevante Urteile:

  • BGH, Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 72/09 (Wohnungseigentum)
  • BGH, Urteil vom 14.07.2009 – VIII ZR 165/08 (Teilgewerbliche Nutzung)

Rechtsgebiete: Mietrecht | Wohnungseigentumsrecht | Nachbarrecht | Gewerbemietrecht

Schlagwörter: Ferienwohnung, Airbnb, Mietminderung, BGH-Urteil, Kurzzeitvermietung,
Touristenwohnung, Mietrecht Berlin

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