Rückwärtsfahren auf Parkplätzen: BGH stärkt Position geschädigter Unfallgegner
Wichtiges BGH-Urteil zur Haftungsverteilung bei Parkplatzunfällen (Az.: VI ZR 179/15) vom 21.05.2025
Bei Unfällen auf Parkplätzen stellt sich regelmäßig die Frage nach der Haftungsverteilung zwischen
den Unfallbeteiligten. Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.01.2016 (Az.:
VI ZR 179/15) hat die Beweislastverteilung zugunsten von Geschädigten bei Parkplatzunfällen mit
rückwärtsfahrenden Fahrzeugen konkretisiert. Unsere Fachanwälte für Verkehrsrecht erläutern die
praktischen Konsequenzen dieser Entscheidung.
Der Fall: Kollision beim Rückwärtsausparken
In dem vom BGH entschiedenen Fall ereignete sich eine Kollision zwischen zwei Fahrzeugen auf dem Kundenparkplatz eines Einkaufszentrums. Die Beklagte versuchte zunächst, in eine Parklücke einzuparken. Als dies misslang, legte sie den Rückwärtsgang ein und kollidierte beim Herausfahren mit dem hinter ihr befindlichen – nach Darstellung der Klägerin bereits stehenden – Fahrzeug der Klägerin. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten regulierte den Schaden nur zu 60%, da sie eine Mithaftung der Klägerin von 40% annahm. Die Klägerin klagte daraufhin auf vollständigen Ersatz des Restschadens in Höhe von 939,88 €.
Kernaussagen des BGH-Urteils
Der BGH hat das klagabweisende Urteil des Landgerichts Gera aufgehoben und die Sache zur
neuen Verhandlung zurückverwiesen. Dabei traf der BGH folgende wichtige Feststellungen:
- Anscheinsbeweis bei Rückwärtsfahren: Auch auf Parkplätzen gilt der Anscheinsbeweis zulasten des Rückwärtsfahrenden. Steht fest, dass sich die Kollision während des Rückwärtsfahrens ereignete, spricht ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seine Sorgfaltspflicht verletzt und den Unfall (mit)verursacht hat.
- Mittelbare Anwendung von § 9 Abs. 5 StVO: Obwohl die Straßenverkehrsordnung auf Parkplätzen nicht direkt anwendbar ist, gilt die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO über § 1 StVO. Demnach muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärts fährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann.
- Verschuldensabwägung: Bei der Haftungsverteilung nach § 17 StVG sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen – insbesondere das Maß der Verursachung und ein etwaiges beiderseitiges Verschulden.
Praxisrelevanz für Geschädigte
Diese BGH-Entscheidung stärkt die Position von Geschädigten bei Parkplatzunfällen erheblich.
Folgende Punkte sollten beachtet werden:
- Der Anscheinsbeweis zulasten des Rückwärtsfahrenden gilt auch auf Parkplätzen.
- Wer rückwärts fährt, trägt eine besondere Sorgfaltspflicht und muss sein Fahrzeug jederzeit anhalten können.
- Ein Verschulden des Unfallgegners muss positiv festgestellt werden und kann nicht einfach unterstellt werden.
Empfehlungen bei Parkplatzunfällen
Sollten Sie in einen Parkplatzunfall verwickelt sein, empfehlen wir folgende Vorgehensweise:
- Dokumentieren Sie die genaue Unfallsituation (Fotos, Zeugen).
- Halten Sie fest, ob ein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt in Bewegung war.
- Nehmen Sie keine vorschnellen Zugeständnisse gegenüber der gegnerischen Versicherung vor.
- Lassen Sie sich anwaltlich beraten, wenn die Gegenseite eine Mithaftung behauptet.
Fazit
Das BGH-Urteil vom 26.01.2016 stellt klar, dass auch auf Parkplätzen erhöhte Sorgfaltsanforderungen für Rückwärtsfahrende gelten. Wer rückwärts fährt und einen Unfall verursacht, kann sich nicht ohne Weiteres auf eine Mithaftung des Unfallgegners berufen. Der Anscheinsbeweis spricht zunächst gegen den Rückwärtsfahrenden. Haben Sie Fragen zu einem Parkplatzunfall oder benötigen Sie rechtliche Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche? Unsere erfahrenen Verkehrsrechtsexperten stehen Ihnen gerne für eine individuelle Beratung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für einen Termin.
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Verkehrsrecht, Schadensersatz, § 17 StVG, § 9 Abs. 5 StVO