Rückwärts ausparken auf Parkplätzen: BGH stärkt Rechte der Geschädigten
BGH-Urteil vom 26.01.2016 (VI ZR 179/15) schafft wichtige Rechtssicherheit bei Parkplatzunfällen
Das Wichtigste in Kürze
- Anscheinsbeweis gilt auch bei Parkplatzunfällen zugunsten des Geschädigten
- Rückwärts ausparkende Fahrzeugführer tragen erhöhte Sorgfaltspflicht
- § 9 Abs. 5 StVO gilt mittelbar über § 1 StVO auch auf Parkplätzen
- Haftungsverteilung muss neu bewertet werden, wenn Verschulden des Ausparkenden vorliegt
Der Fall: Kollision beim Rückwärtsausparken
Im Dezember 2012 ereignete sich auf dem Kundenparkplatz eines Einkaufszentrums ein typischer Parkplatzunfall. Die Beklagte versuchte zunächst, in eine Parklücke einzuparken, schaffte es jedoch nicht vollständig. Beim anschließenden Rückwärtsausparken kollidierte sie mit dem bereits stehenden Fahrzeug der Klägerin. Die Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden zunächst nur zu 60% und ging von einer Mithaftung der Geschädigten von 40% aus. Die verbleibenden 939,88 € machte die Klägerin gerichtlich geltend.
Rechtliche Einordnung: Sorgfaltspflichten auf Parkplätzen
Mittelbare Anwendung der StVO
Der BGH stellte klar, dass § 9 Abs. 5 StVO auf Parkplätzen zwar nicht unmittelbar gilt, aber mittelbare Bedeutung über § 1 StVO erlangt. Danach muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärts fährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann.
Anscheinsbeweis bei Rückwärtsfahren
Besonders bedeutsam ist die Feststellung des BGH zum Anscheinsbeweis:
„Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist.“
Praktische Auswirkungen für Betroffene
Für Geschädigte
Arbeitgeber müssen zur Erschütterung des Beweiswerts nicht den Gegenbeweis führen, sondern lediglich:
- Beweislast erleichtert: Bei Kollisionen mit rückwärts ausparkenden Fahrzeugen spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Ausparkenden
- Höhere Schadensersatzquote möglich, wenn Verschulden des Unfallverursachers nachgewiesen wird
- Wichtig: Genaue Schilderung des Unfallhergangs und Dokumentation der Umstände
Für Ausparkende
- Erhöhte Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsausparken
- Umfassende Kontrolle nach allen Seiten erforderlich
- Bei erkennbarer Gefährdung muss der Ausparkvorgang abgebrochen werden
Haftungsverteilung nach § 17 StVG
Das Gericht muss bei der Haftungsverteilung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen:
- Verursachungsbeitrag der Beteiligten
- Verschuldensgrad der Unfallbeteiligten
- Betriebsgefahr der Fahrzeuge
- Besondere Umstände des Parkplatzes
Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Neue Rechtslage
Das BGH-Urteil schafft wichtige Rechtssicherheit für Parkplatzunfälle und stärkt die Position der Geschädigten erheblich. Die bisherige Praxis vieler Versicherungen, bei Parkplatzunfällen pauschal eine Mithaftung anzunehmen, wird durch dieses Urteil in Frage gestellt.
Empfehlungen für Betroffene
Bei Parkplatzunfällen sollten Sie:
- Den Unfallhergang detailliert dokumentieren
- Zeugen suchen und kontaktieren
- Bei rückwärts ausparkenden Unfallverursachern auf den Anscheinsbeweis berufen
- Rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, wenn die Versicherung eine zu niedrige Quote anbietet
Fazit: Paradigmenwechsel bei Parkplatzunfällen
Das BGH-Urteil markiert einen Paradigmenwechsel in der Bewertung von Parkplatzunfällen. Die Rechtsprechung erkennt an, dass auch auf Parkplätzen klare Sorgfaltspflichten gelten und der Anscheinsbeweis zugunsten des Geschädigten wirken kann. Für Geschädigte bedeutet dies bessere Durchsetzungschancen ihrer Schadensersatzansprüche. Fahrzeugführer, die rückwärts ausparken, müssen sich ihrer erhöhten Verantwortung bewusst sein und entsprechend vorsichtig agieren.
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