BGH-Urteil zum Pferdekauf: Austausch mangelhafter Pferde und Beweislast bei Sachverständigengutachten
Wichtige Entscheidung des BGH vom 31.05.2017 (VIII ZR 69/16)
Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesgerichtshof hat in einem wegweisenden Urteil wichtige Grundsätze zum Pferdekauf und zum Austausch mangelhafter Tiere geklärt. Die Entscheidung betrifft sowohl die rechtliche Einordnung von Pferdeaustausch als auch prozessuale Fragen der Beweislast.
Der Sachverhalt: Vom ersten zum zweiten Pferd
Eine Käuferin erwarb Anfang 2013 ein Pferd für 11.000 Euro. Nach der Übergabe stellte sie eine periodisch auftretende entzündliche Augenerkrankung fest. Die Verkäuferin bestritt zwar den Mangel, bot jedoch einen Austausch gegen ein anderes Pferd aus ihrem Bestand an. Anfang 2014 wählte die Käuferin ein Ersatzpferd („N.“) aus. Auch bei diesem Tier traten später Probleme auf: Die Käuferin bemängelte „Spat“ beziehungsweise Lahmheit aufgrund eines Röntgenbefundes mit klinischen Auswirkungen. Nach erfolgloser Nachfristsetzung erklärte sie den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Klage: Kaufpreisrückzahlung oder nur Pferdeaustausch?
Die Käuferin forderte:
- Zahlung von 17.217,97 € (Kaufpreis plus entstandene Kosten)
- Zinsen und vorgerichtliche Kosten
- Rückgabe des Pferdes „N.“
- Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden
Rechtliche Einordnung: Tausch oder Nacherfüllung?
Landgericht: Tauschvertrag nach § 480 BGB
Das Landgericht ordnete den Pferdeaustausch als Tauschvertrag ein. Dies hätte bedeutet, dass die Käuferin bei Mangelhaftigkeit des zweiten Pferdes nur das erste Pferd zurück und Ersatz der Aufwendungen verlangen könnte – nicht aber die Rückzahlung des ursprünglichen Kaufpreises.
BGH: Einvernehmliche Nacherfüllung
Der BGH korrigierte diese Auffassung: Der Austausch der Pferde ist nicht als Tauschvertrag, sondern als einvernehmlich durchgeführte Nacherfüllung (Ersatzlieferung) zu werten. Diese Unterscheidung ist entscheidend: Bei Nacherfüllung durch Ersatzlieferung kann der Käufer bei Mangelhaftigkeit des Ersatztiers den ursprünglichen Kaufvertrag rückabwickeln und den Kaufpreis
zurückverlangen.
Prozessuale Probleme: Sachverständigengutachten und Kostenvorschuss
Das Problem der unterbliebenen Vorschusszahlung
Die Käuferin weigerte sich, den für ein Sachverständigengutachten geforderten Kostenvorschuss zu zahlen. Ihre Begründung: Sie habe kein Interesse, „statt des lahmen Pferdes N. das blinde Pferd K. zu erhalten“ – basierend auf der (unrichtigen) Tauschvertrag-Theorie des Landgerichts.
BGH-Klarstellung zur Beweislast
Der BGH stellte mehrere wichtige prozessuale Grundsätze klar:
1. Keine Zurückweisung nach § 531 Abs. 1 ZPO: Das Landgericht hatte den Beweisantrag nicht förmlich zurückgewiesen, sondern nur die Durchführung unterlassen. Daher konnte das Berufungsgericht nicht nach § 531 Abs. 1 ZPO verfahren.
2. Keine grobe Nachlässigkeit: Die Weigerung der Käuferin, den Vorschuss zu zahlen, beruhte auf der unrichtigen Rechtsauffassung des Gerichts. Dies begründet keine grobe Nachlässigkeit im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO.
3. Kein „neues“ Beweismittel: Die bloße Nichtzahlung eines Vorschusses macht einen Beweisantrag nicht zu einem „neuen“ Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz.
Praktische Auswirkungen für Pferdekäufer und -verkäufer
Für Käufer
- Pferdeaustausch ist Nacherfüllung: Bei mangelhaftem Austauschpferd kann der ursprüngliche Kaufpreis zurückverlangt werden
- Beweislast beachten: Sachverständigengutachten sind oft unverzichtbar für den Nachweis von Pferdemängeln
- Kostenvorschuss strategisch nutzen: Auch bei unklarer Rechtslage sollte die Beweisführung nicht aufgegeben werden
Für Verkäufer
- Austauschangebote überdenken: Ein „kulanter“ Pferdeaustausch führt nicht zur Begrenzung auf Tauschrecht
- Nacherfüllung dokumentieren: Klarstellung, ob Austausch als Nacherfüllung oder separater Vertrag gewollt ist
- Mängel genau prüfen: Bei Austauschtieren droht vollständige Kaufpreisrückzahlung
Bedeutung für die Rechtspraxis
Das Urteil zeigt, wie wichtig die korrekte rechtliche Einordnung von Geschäften ist. Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Tausch aussieht, kann rechtlich eine Nacherfüllung sein – mit völlig anderen Konsequenzen.
Besonders relevant ist die Entscheidung für:
- Pferdehändler und Züchter
- Käufer von Sportpferden
- Rechtsanwälte im Tierkaufrecht
- Sachverständige für Pferdemängel
Fazit: Rechtssicherheit beim Pferdekauf
Der BGH hat mit diesem Urteil wichtige Klarstellungen zum Pferdekauf geschaffen. Käufer sollten sich nicht durch vermeintlich „kulante“ Austauschangebote von ihren eigentlichen Rechten abbringen lassen. Verkäufer müssen sich bewusst sein, dass ein Pferdeaustausch rechtlich als Nacherfüllung gewertet werden kann.
Unser Tipp: Lassen Sie sich bei Problemen beim Pferdekauf frühzeitig rechtlich beraten. Die Unterscheidung zwischen Tausch und Nacherfüllung kann über Erfolg oder Misserfolg Ihrer Ansprüche entscheiden.
Bei Fragen zum Tierkaufrecht oder anderen zivilrechtlichen Angelegenheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.
Aktenzeichen: BGH, Urteil vom 31.05.2017 – VIII ZR 69/16
Fundstelle: openJur 2018, 2805