Justitia

Die WKR informiert: Interessante Urteile aus verschiedenen Rechtsgebieten.

Sie haben Fragen oder benötigen juristische Unterstützung?

Anwaltskosten bei der Abwehr unberechtigter Forderungen BGH-Entscheidung zur materiellrechtlichen Kostenerstattung

Wann muss der Gegner außergerichtliche Anwaltskosten erstatten?

Wenn Sie mit einer unberechtigten Forderung konfrontiert werden und zur Abwehr einen Anwalt
einschalten müssen, stellt sich die Frage: Können Sie die dadurch entstandenen Anwaltskosten vom
Gegner erstattet verlangen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu in seinem Urteil vom
12.12.2006 (Az. VI ZR 224/05)
wichtige Grundsätze aufgestellt.

Der Fall: Unberechtigte Geldforderung und Anwaltskosten

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 201.800,00 DM gefordert und mit einer Klage gedroht. Die Klägerin beauftragte einen Rechtsanwalt, der die Forderung als unbegründet zurückwies. Der Beklagte erhob die angedrohte Klage nicht. Die Klägerin verlangte nun mit ihrer Klage den Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von 2.483,66 €, die sie zur Abwehr des geltend gemachten Anspruchs aufgewendet hatte. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht gaben der Klage statt.

Die Entscheidung des BGH: Keine pauschale Kostenerstattungspflicht

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück.
Nach Auffassung des Gerichts kann ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch zwar
grundsätzlich bestehen, jedoch nur, wenn die Voraussetzungen einer konkreten
Anspruchsgrundlage erfüllt sind.

Mögliche Anspruchsgrundlagen im Überblick:

  1. Vertragliche Ansprüche: Positive Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo kommen nur in Betracht, wenn der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Beziehung geltend gemacht wurde.
  2. Kein allgemeiner Anspruch aus „Sonderverbindung“: Das Landgericht hatte eine „quasideliktische Sonderverbindung“ zwischen den Parteien angenommen. Der BGH stellte jedoch klar: Allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht, entsteht keine solche Sonderverbindung.
  3. Deliktische Ansprüche: Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben, da kein Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut erfolgte. Die Kosten stellen einen reinen Vermögensschaden dar. Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder § 826 BGB könnten jedoch bestehen, wenn die Forderung nachweislich ohne tatsächliche oder rechtliche Grundlage war (Betrugsversuch, sittenwidrige Schädigung).
  4. Keine analoge Anwendung der §§ 91 ff. ZPO: Die prozessualen Kostenregelungen können nicht auf außergerichtliche Situationen übertragen werden. Ein allgemeiner materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch würde zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung führen.

Fazit für die Praxis: Hohe Hürden für die Kostenerstattung

Der BGH macht deutlich: Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört
grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen
Haftungsnorm vorliegen. Die Kosten für die anwaltliche Abwehr unberechtigter Forderungen
können daher nur unter engen Voraussetzungen ersetzt verlangt werden.

Als Betroffener haben Sie folgende Möglichkeiten:

  1. Prüfen, ob ein vertragliches oder vorvertragliches Verhältnis zum Anspruchsteller besteht, aus dem sich eine Ersatzpflicht ableiten lässt.
  2. Bei nachweislich rechtsmissbräuchlichen oder betrügerischen Forderungen einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder § 826 BGB geltend machen.
  3. Eine negative Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben, um eine gerichtliche Kostenentscheidung herbeizuführen.

In jedem Fall ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei erheblichen oder komplexen Forderungen
sinnvoll und erforderlich. Der BGH bestätigte ausdrücklich, dass die Heranziehung eines
Rechtsanwalts zur Abwehr einer mit anwaltlicher Hilfe geltend gemachten, vergleichsweise hohen
Forderung erforderlich war.

Haben Sie Fragen zur Kostenerstattung?

Wenn Sie mit unberechtigten Forderungen konfrontiert sind oder Fragen zur Erstattungsfähigkeit
von Anwaltskosten haben, beraten wir Sie gerne. Kontaktieren Sie uns für eine fundierte rechtliche
Einschätzung Ihres Falls


Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und kann eine individuelle anwaltliche Beratung nicht
ersetzen.

WKR Rechtsanwaltsgesellschaft mbH